Ärzt:innen sind zentrale Akteure bei der Verschreibung von Cannabis-Arzneimitteln. Sie beraten ihre Patient:innen zu den medizinischen Einsatzmöglichkeiten von Cannabis oder werden von neuen oder bestehenden Patient:innen auf eine potentielle Cannabisverschreibung angesprochen. Sie beantragen für Ihre Patient:innen eine Kostenerstattung durch die Krankenkassen oder unterstützen sie beim Widerspruch gegen einen abgelehnten Antrag. Nicht zuletzt verfügen sie über Kontakte zu vielen anderen relevanten Akteuren beim Einsatz von Cannabis in der Medizin.
Als Teil des Projekts „Medizinisches Cannabis in Frankfurt am Main“ hat das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS) die Versorgungssituation in Frankfurt mit Cannabis-Arzneimitteln wissenschaftlich untersucht. Die vorliegende Studie umfasst die Ergebnisse einer qualitativen Ärzt:innenbefragung sowie zweier wissenschaftlicher Fokusgruppendiskussionen.
Mittels eines leitfadengestützten Interviews haben die Wissenschaftler 17 Ärzt:innen unterschiedlicher Fachrichtungen persönlich zum Einsatz von Cannabis-Arzneimitteln befragt. Eine Gruppe hatte bereits Erfahrungen mit Cannabisbehandlungen, die andere nicht. Die Interviews wurden zwischen Januar und März 2019 geführt. Ziel der Untersuchung war es, den Status Quo zu Umständen und Problemen bei der Verschreibung von Cannabis-Arzneimitteln zu ermitteln. Des Weiteren sollten Motive, Wirksamkeitserwartungen, praktische Erfahrungen und Einstellungen zur Verwendung von Cannabis in der ärztlichen Behandlung dargestellt sowie mögliche Vorbehalte oder Ablehnungsgründe identifiziert werden.
Die Perspektiven weiterer wichtiger Akteure beim Einsatz von Cannabis-Arzneimitteln kam in zwei Fokusgruppengesprächen hinzu. Anhand von leitfadengestützten Fokusgruppen mit Ärzt:innen, betroffenen Patient:innen, Apotheker:innen und Jurist:innen wurden die verschiedenen Ansichten zur Versorgungssituation aller Akteure gemeinsam diskutiert, Barrieren und Schnittstellenprobleme identifiziert und nach Lösungsansätzen gesucht.
Als Hinderungsgründe einer Verordnung wurden von Ärzt:innen der hohe bürokratische Aufwand des Verschreibungsprozederes, nicht vorhandene Vorgaben zu Anwendungsgebieten, fehlende Evidenz sowie Ängste vor Arzneimittelregressen genannt. Die Fokusgruppenteilnehmer:innen erwähnten Defizite hinsichtlich der interdisziplinären Zusammenarbeit relevanter Akteure sowie der Weiterbildungs- und Vernetzungsmöglichmöglichkeiten. Patient:innen berichteten von Schwierigkeiten bei der Suche nach Ärzt:innen, die Medizinisches Cannabis verschreiben und hohen Ablehnungsquoten bei Anträgen auf Kostenübernahmen. Die Ergebnisse legen dar, dass hinsichtlich einer bedarfsgerechten Versorgung von Patient:innen mit Medizinischem Cannabis Handlungsbedarf besteht. Versorgungshindernisse sowie -lücken betreffen insbesondere Informationsdefizite sowie fehlende Vernetzungsstrukturen und fachlichen Austausch.