Medizinisches Cannabis Ein Projekt des Gesundheitsdezernats und des Drogenreferats der Stadt Frankfurt am Main

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Cannabis - was ist das?

Die Cannabispflanze (Hanfpflanze) stammt ursprünglich aus Zentralasien. Sie ist getrenntgeschlechtlich, das heißt, weibliche und männliche Blüten wachsen auf unterschiedlichen Pflanzen. Weibliche Pflanzen sind häufig größer und dichter belaubt als die männlichen. Die Wirkstoffe Cannabidiol (CBD) und Tetrahydrocannabinol (THC) werden aus den Blüten und Blättern der weiblichen Pflanze gewonnen.

CBD fällt im Gegensatz zu THC nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Beide Stoffe wirken auf das zentrale Nervensystem, indem sie sich ebenso wie körpereigene Cannabinoide bzw. Endocannabinoide (Cannabis-ähnliche Substanzen, die der Körper selbst produziert) an Cannabinoid-Rezeptoren (CB1 und CB2) binden und diese aktivieren. Dieses körpereigene Endocannabionid-System als Teil des menschlichen Nervensystems wurde bei Forschungen über die Wirkweise von Cannabis entdeckt.

Das Cannabinoidsystem lässt sich somit über THC und CBD auch pharmakologisch beeinflussen. In Deutschland werden Fertig-Arzneimittel und Rezeptur-Arzneimittel aus Cannabis eingesetzt.

Cannabis in der Medizin

Cannabis-Arzneimittel werden in der Regel erst eingesetzt, wenn andere Therapieversuche nicht ausreichend erfolgreich waren, nicht zur Verfügung stehen oder ungeeignet sind, beispielsweise aufgrund schwerer Nebenwirkungen.

Es stehen Fertig-Arzneimittel wie beispielsweise Sativex® und Canemes® sowie Rezeptur-Arzneimittel zur Verfügung. Rezeptur-Arzneimittel werden individuell für Patient:innen zubereitet. Dazu gehören Cannabis-Extrakte, cannabinoidhaltige Tropfen und Kapseln sowie Cannabisblüten. Cannabisblüten werden als Pulver abgegeben, das beispielsweise als Tee eingesetzt oder mit speziellen Inhalatoren (Vaporizern) inhaliert werden kann.

Anwendungsgebiete

Die Wirksamkeit von Cannabis-Arzneimitteln ist für viele Erkrankungen und Symptome noch nicht umfassend erforscht. Weitgehend anerkannt ist ihre Anwendung zur Behandlung von Muskelspastik (beispielsweise bei Multipler Sklerose), bei Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen im Rahmen einer Krebsbehandlung und bei HIV/AIDS, ebenso bei bestimmten Formen von (kindlicher) Epilepsie sowie in der Schmerztherapie.

Weitere wissenschaftliche Hinweise für die Indikation von Medizinal-Cannabis gibt es beispielsweise bei Angststörungen, Schlafstörungen, dem Tourette-Syndrom und ADHS. Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, ob der Einsatz von cannabishaltigen Arzneimitteln bei Ihnen sinnvoll ist.

Kostenübernahme

Ob ein Therapieversuch mit Cannabis-Arzneimitteln infrage kommt, entscheidet die behandelnde Ärzt:in. Bei der Erstverordnung von Cannabis-Arzneimitteln muss die zuständige Krankenkasse vorab zusichern, dass sie die Kosten übernimmt.

Folgende Voraussetzungen müssen für die Kostenzusage erfüllt sein:

  1. Es liegt eine schwerwiegende Erkrankung vor.
  2. Es gibt keine Behandlungsalternative, die allgemein anerkannt ist, dem medizinischen Standard entspricht und individuell geeignet ist.
  3. Es ist absehbar zu erwarten, dass das Arzneimittel den Krankheitsverlauf oder die Symptome positiv beeinflusst.

Ob die Voraussetzungen erfüllt sind, lässt die Krankenkasse in der Regel durch ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) prüfen. Innerhalb von vier Wochen muss die Krankenkasse über den Antrag auf Kostenübernahme entscheiden. Im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts oder bei Verordnungen im Rahmen einer Allgemeinen Ambulanten Palliativversorgung (AAPV) ist diese Frist auf drei Tage verkürzt. Erfolgt die Verordnung von Cannabisarzneimitteln im Rahmen der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) entfällt der Genehmigungsvorbehalt.

Lehnt die Krankenkasse die Kostenübernahme ab, kann die behandelnde Ärzt:in trotzdem Cannabis-Arzneimittel verschreiben. Allerdings müssen die Patient:innen die Kosten dann selbst tragen.

Werden bestimmte Fertig-Arzneimittel für speziell zugelassene Anwendungsgebiete verschrieben, ist kein Antrag auf Kostenübernahme notwendig. Das betrifft Sativex® für die Therapie von Patient:innen mit Multipler Sklerose, Canemes® während der Chemotherapie und Epidyolex® bei bestimmten Formen kindlicher Epilepsie.

Suche nach eine:r Ärzt:in

Prinzipiell kann jede Ärzt:in in Deutschland Cannabis-Arzneimittel verschreiben. Häufig erleben Patient:innen jedoch, dass die behandelnde Ärzt:in dies ablehnt. Die Gründe können unterschiedlich sein: Sie schätzen die Erkrankung als nicht schwerwiegend genug ein, es gibt aus ihrer Sicht anerkanntere Therapiemethoden oder es fehlen ausreichende Hinweise für einen therapeutischen Nutzen.

Das Drogenreferat der Stadt Frankfurt am Main führte in Kooperation mit dem Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS) umfangreiche Versorgungsstudien durch. Deren Ergebnisse zeigen auf, dass Ärzt:innen vor allem aus drei Gründen keine Cannabis-Arzneimittel verschreiben: Sie haben generell Vorbehalte dagegen, sie sind sich bei der Anwendung und Dosierung unsicher oder sie erleben den bürokratischen Aufwand als zu hoch.

Cannabis aus anderen Quellen

Viele Patient:innen erhalten keine (kassen-)ärztliche Verschreibung oder keine Kostenübernahme für Medizinisches Cannabis von ihrer Krankenkasse. Einige der Betroffenen beziehen Cannabis-Arzneimittel über Privatrezepte aus Apotheken oder versorgen sich auf dem Schwarzmarkt. Das Centre for Drug Research (CDR) der Goethe-Universität Frankfurt am Main führte im Auftrag des Drogenreferats eine Dunkelfeldbefragung zur medizinischen Versorgung mit Cannabisprodukten in Frankfurt am Main durch. Die Ergebnisse finden Sie hier.

Cannabis vom Schwarzmarkt birgt zusätzliche Risiken für die Konsument:innen. So gibt es auch aus Frankfurt und Umgebung seit einiger Zeit vermehrt Berichte über mit synthetischen Cannabinoiden versetztes Cannabis. Synthetische Cannabinoide wirken bis zu hundert Mal stärker als das in Cannabis enthaltene THC und besitzen ein höheres Abhängigkeitspotenzial. Somit steigt die Gefahr von versehentlichen Überdosierungen.

Auch die Selbstmedikation durch erlaubten Eigenanbau oder Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung kann die ärztlich angeleitete Therapie nicht ersetzen.

Leben mit Medizinischem Cannabis

Cannabis als Arznei lindert die Symptome einiger chronischer Erkrankungen. Patient:innen werden deshalb üblicherweise längerfristig damit behandelt. Cannabis-Medikamente sind streng regulierte Betäubungsmittel, was im Alltag zu Fragen und Problemen führen kann. Dies gilt insbesondere im Straßenverkehr oder bei Reisen.

Medizinisches Cannabis und Führen eines Fahrzeugs

Nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) ist es ordnungswidrig, unter Einfluss eines Betäubungsmittels ein Fahrzeug zu führen. Als Ausnahme gelten ärztlich verschriebene Arzneimittel, die eine konkrete Krankheit behandeln. Befinden sich Patient:innen in ärztlicher Behandlung und haben ihre Cannabis-Arzneimittel verschreibungsgemäß eingenommen, dürfen sie am Straßenverkehr teilnehmen und handeln nicht ordnungswidrig. In der Regel reichen bei einer Verkehrskontrolle ein Cannabis-Ausweis und ein aktuelles Rezept als Nachweis aus. Manchmal werden – insbesondere bei auffälligem Fahrverhalten - weitere Tests oder eine Blutentnahme veranlasst.

Patient:innen, die ärztlich verordnetes Cannabis als Medizin einnehmen, gelten grundsätzlich als fahrtüchtig. Zu Beginn der Behandlung, bis das Medikament richtig eingestellt ist, gelten Patient:innen allerdings als nicht fahrtauglich und sollten kein Fahrzeug führen. Grundsätzlich sollten alle Patient:innen nach der Einnahme des Arzneimittels immer einige Zeit verstreichen lassen, ehe sie sich ans Steuer setzen oder ein Rad besteigen.

Führerscheinstellen fordern teilweise auch bei einer ärztlichen Behandlung mit Cannabis ein fachärztliches Gutachten an. Geklärt werden soll meist, ob die Grunderkrankung die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt wie beispielsweise bei Epilepsie und ob eine bestimmungsgemäße Einnahme der Medizin vorliegt. Fällt das fachärztliche Gutachten negativ aus oder liegt eine Missbrauchsgeschichte mit Betäubungsmitteln vor, ordnet die Führerscheinstelle eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) an.

Reisen mit Cannabis-Medikamenten

Patient:innen benötigen auf Reisen immer ihre Medizin im Gepäck. Die Länder haben unterschiedliche Regeln erlassen, ob und wie Patient:innen Medizinisches Cannabis für die eigene Behandlung legal einführen dürfen. Alle Staaten, die dem Schengen-Abkommen beigetreten sind, haben für ihre Bürger:innen gemeinsame Regeln vereinbart.

Schengen-Staaten: Patient:innen brauchen eine vom behandelnden Arzt ausgefüllte Bescheinigung nach Artikel 75 des Schengener Durchführungsübereinkommens. Diese Bescheinigung ist vor Antritt der Reise von der obersten Landesgesundheitsbehörde oder einer von ihr beauftragten Stelle zu beglaubigen und bei der Reise mitzuführen.

Alle anderen Länder: Patient:innen sollten sich vom verschreibenden Arzt eine mehrsprachige Bescheinigung ausstellen lassen, die Angaben zu Einzel- und Tagesdosierungen, Wirkstoffbezeichnung und Dauer der Reise enthält. Diese Bescheinigung ist ebenfalls von der zuständigen obersten Landesgesundheitsbehörde oder einer von ihr beauftragten Stelle zu beglaubigen und bei der Reise mitzuführen.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat Informationen zum Reisen mit Medizinischem Cannabis zusammengestellt. Die Seite enthält auch die notwendigen Formulare und die Kontakte zu den benötigten Stellen.

Zahlreiche Länder haben ihre Einreiseformalitäten auf den Seiten des Internationalen Suchtstoffkontrollamtes (INCB) in mehreren Sprachen hinterlegt.

Hilfreiche Links für Patient:innen

Die unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) hat einen Patient:innen-Ratgeber rund um das Thema "Cannabis als Medizin" herausgegeben.

Die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. informiert über Cannabis in der Schmerzbehandlung.

Auch das Bundesministerium für Gesundheit gibt Antworten auf Fragen zu Cannabis in der Medizin.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat Hinweise für Patient:innen zusammengestellt.

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