Medizinisches Cannabis Ein Projekt des Gesundheitsdezernats und des Drogenreferats der Stadt Frankfurt am Main

Stand der Forschung

Das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS) hat eine Übersicht über den aktuellen Forschungsstand zum Einsatz von Cannabis in der Medizin zusammengestellt. Die bis Mai 2020 veröffentlichte Literatur wurde in den Bericht einbezogen. Er informiert unter anderem über relevante Akteur:innen bei der Versorgung mit Cannabis-Arzneimitteln, fasst die Erkenntnisse zur Evidenzlage zum Einsatz von Cannabis in der Medizin zusammen, beleuchtet die Versorgungssituation in Deutschland, stellt die Versorgungsstrukturen in anderen Ländern (Österreich, Schweiz, Israel) vor und bildet aktuelle Debatten zum Einsatz der Arzneimittel ab.

Seit März 2017 dürfen Ärzt:innen in Deutschland Cannabis-Arzneimittel auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung verschreiben. Getrocknete Blüten, Extrakte und Fertigarzneimittel werden über ein Betäubungsmittelrezept verordnet. Patient:innen beantragen die Übernahme der Kosten bei ihrer Krankenkasse, außer sie erhalten ein Fertigarzneimittel innerhalb des zugelassenen Anwendungsgebiets. Ärzt:innen müssen bei Behandlungen mit Medizinischem Cannabis, die durch gesetzliche Krankenversicherungen genehmigt wurden, Daten für die Begleiterhebung an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) übermitteln. Sie haben die Pflicht, Patient:innen umfassend über die Wirkung, Anwendung und Lagerung der Arzneimittel sowie die Verkehrstüchtigkeit nach der Einnahme zu informieren.

Patient:innen haben einen Anspruch auf die Behandlung, wenn sie an einer schwerwiegenden Erkrankung leiden, eine anerkannte medizinische Leistung nicht zur Verfügung steht oder nicht angewendet werden kann und eine positive Auswirkung durch eine Einnahme von Medizinischem Cannabis zu erwarten ist.

Die Wirksamkeit von Cannabis als Medizin ist größtenteils lückenhaft erforscht. Für psychische Erkrankungen liegt insgesamt keine ausreichende Evidenz vor. Chronische Schmerzen sind am besten erforscht, doch auch hier fehlen qualitativ hochwertige Studien. Positive Wirkungen zeigten sich bei der Behandlung von Übelkeit und Erbrechen aufgrund einer Chemotherapie. Indizien bestehen für eine verbesserte Gewichtszunahme bei HIV und Krebs, bei der Behandlung von Schlafstörungen und dem Tourette-Syndrom. Es gibt Hinweise auf eine Verbesserung von Spasmen bei Multipler Sklerose. Nebenwirkungen zeigten sich meist vorübergehend und nicht schwerwiegend. Auch hier fehlen Langzeituntersuchungen.

Für mit Cannabis behandelte Patient:innen stellt das Führen eines Fahrzeugs unter Cannabiswirkung nicht grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit dar. Die Medizin muss jedoch ärztlich verordnet und bestimmungsgemäß eingenommen sein. Bei außerhalb der Indikation konsumiertem Cannabis oder bei durch die Medikamente eingeschränkter Fahrtüchtigkeit oder Ausfallerscheinungen ist das Fahren jedoch strafbar. Letzteres sei in der Einstellungs- und Eingewöhnungsphase der Medikation häufig der Fall. Im Fall einer Kontrolle sei eine Bescheinigung oder ein Rezept sinnvoll.

Die Krankenkassen haben eine Frist für die Prüfung der Anträge einzuhalten. Aufgrund fehlender Studien beauftragen sie meist den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Einschätzung. Trotz der gesetzlichen Regelung, dass der Antrag nur in begründeten Ausnahmefällen abgelehnt werden darf, werden fast 40 % abgelehnt. Hessen stellt mit einer Genehmigung von nur 56,4 % der Anträge das Schlusslicht dar (Auswertung von Daten der BARMER). Im Cannabis-Report, der die Daten der Techniker Krankenkasse (TK) näher beleuchtet, werden dafür folgende Gründe genannt:

  • Verfügbarkeit anderer wirksamer Therapiealternativen,
  • triviale Diagnosen,
  • unvollständig ausgefüllte Anträge.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurde mit der Begleiterhebung zur Anwendung von Cannabis-Arzneimitteln beauftragt. Die Daten müssen in der Zeit von 2017 bis 2022 nach einem Jahr Behandlung oder nach einem Abbruch gemeldet werden. Ein Wechsel zwischen zwei Medikamenten wird als Abbruch gewertet; seit 2019 gilt das nur noch für einen Wechsel zu einer anderen Medikamentenart. Ein Abgleich der Daten lässt vermuten, dass weniger als die Hälfte der Behandlungsdaten gemeldet wurden.

Die Cannabisagentur des BfArM kontrolliert Anbau, Ernte, Verarbeitung, Qualitätsprüfung, Lagerung, Verpackung und die Abgabe an Händler:innen, Apotheker:innen und Hersteller:innen von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland. Der Anbau von Cannabis wurde an drei Unternehmen vergeben. Bisher wird der Bedarf über Importe gedeckt. Dabei kam es immer wieder zu Lieferengpässen.

Apotheken können Cannabis über den pharmazeutischen Großhandel einkaufen. Sie müssen für Cannabisblüten eine dreistufige Identitätsprüfung vornehmen, die Medikamente nach besonderen Vorschriften für Betäubungsmittel lagern und die Rezepte vor der Ausgabe prüfen. Die deutschen Preise gelten als vergleichsweise hoch. Das wird auf die unnötig aufwendigen Prüfungen in Apotheken zurückgeführt.

Es gibt unterschiedliche Medikamente: Neben fertigen, zugelassenen Arzneimitteln mit konkret erforschten Anwendungsgebieten und Dosierungen gibt es Blüten und Rezepturarzneimittel. Deren genaue Wirkung ist jeweils nicht erforscht. Der Effekt der Medikamente hängt auch von der gewählten Einnahmeform ab. Auch die Kosten der verschiedenen Arzneimittel sind nicht vergleichbar, da sie verschiedene Zusammensetzungen und Wirkungen aufweisen.

Es gibt verschiedene Interessenverbände, die teilweise Unterstützung für Patient:innen und Ärzt:innen anbieten, sich aber auch politisch für die Verbesserung der Rahmenbedingungen einsetzen.

Politisch wird neben den hohen deutschen Preisen bemängelt, dass der bürokratische Aufwand für die Anträge hoch sei, auch Ablehnungen aufgrund von Fehlern im Antrag erfolgten, beim Wechsel des Arzneimittels ein neuer Antrag zu stellen sei und das Verfahren die Therapiehoheit der Ärzt:innen unterlaufe. Andererseits wird argumentiert, das Verfahren biete Sicherheit und ohne Anträge bestünde die Gefahr von Regressen.

Forschungsstand zur Versorgungssituation mit Medizinischem Cannabis

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