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Newsletter Medizinisches Cannabis
2. Ausgabe 2024

Liebe Leserinnen und Leser,

lange Zeit sah es nicht so aus, als ob das Cannabisgesetz wie geplant zum 1. April kommen würde – und dann war es doch plötzlich soweit.

Die ersten Erfahrungen mit der neuen rechtlichen Situation sind das bestimmende Thema in diesem Newsletter. Außerdem erhalten Sie natürlich wieder Neuigkeiten rund um das Thema medizinisches Cannabis aus Frankfurt, Deutschland und der ganzen Welt.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre!

Herzlich,
Ihr Projektteam Cannabismedikation
Drogenreferat der Stadt Frankfurt am Main

Inhalt

1. Aktuelles aus Frankfurt am Main

- Große Nachfrage nach Schulungen des Drogenreferats

- Veranstaltungen des Drogenreferats für Cannabis-Anbauvereinigungen

- Netzwerktreffen zu den Neuerungen durch das Cannabisgesetz

- Frankfurter Drogenreferat bei den Hamburger Suchttherapietagen

- Veranstaltung zu Cannabiskonsum bei Heranwachsenden

2. Aktuelles aus Deutschland

- Erste Erfahrungen mit dem Cannabisgesetz

- Auswirkungen der neuen rechtlichen Regelungen auf Cannabis als Medizin

- Neuer Grenzwert im Straßenverkehr geplant

- G-BA: Genehmigungsvorbehalt wird bis Juni neu geregelt

- Kongress der Deutschen Medizinal-Cannabis Gesellschaft im Mai

3. Aktuelles aus aller Welt

- Europa - Teilregistrierung der „European Cannabis Initiative“

- Griechenland - erste Cannabisblüten aus Apotheken

- Schweiz - Zwischenergebnisse der Studie WeedCare

- Kanada - höhere Steuereinnahmen aus Cannabis als aus Bier und Wein

- Weltweit - internationale Razzia gegen mutmaßliche Cannabis-Betrugsfirma

4. Aktuelles aus der Forschung

- Kein Nachweis für indikationsspezifische Wirksamkeit verschiedener Blüten

- Verbesserung der Lebensqualität

- Der Einsatz von medizinischem Cannabis bei älteren Menschen

- Wirksamkeit bei Migräne

- Endometriose-Behandlung in Australien

- Medizinisches Cannabis und Fahrtüchtigkeit

1. Aktuelles aus Frankfurt am Main

Große Nachfrage nach Schulungen des Drogenreferats


Was ändert sich durch das Cannabisgesetz? Welche Folgen hat es für Prävention und Jugendschutz? Wie reagiert die Polizei? Diese und mehr Fragen erörterten Mitarbeitende des Drogenreferats der Stadt Frankfurt am Main gemeinsam mit Vertreter:innen der Suchthilfe sowie der Polizei bei einem Online-Seminar am 14. März. Mehr als 220 Fachkräfte aus Pädagogik und Sozialer Arbeit, überwiegend aus dem Raum Frankfurt am Main, nahmen an der zweistündigen Informationsveranstaltung teil.


Weitere Multiplikator:innen-Schulungen zum Cannabisgesetz folg(t)en als In-House-Veranstaltungen. Am 17. April beteiligte sich das Drogenreferat an einer Fortbildung für Beratungslehrkräfte an Frankfurter Schulen. Für den 14. Mai ist eine Online-Schulung für Mitarbeitende des Frankfurter Jugendamts geplant.


Veranstaltungen des Drogenreferats für Cannabis-Anbauvereinigungen


Große Teile des Cannabisgesetzes sind bereits in Kraft, die Regelungen für Anbauvereinigungen gelten aber erst ab dem 1. Juli. Das Drogenreferat der Stadt Frankfurt am Main möchte Anbauvereinigungen bei den anstehenden Vorbereitungen unterstützen.


Aus dem Grund lädt das Drogenreferat Personen, die in Frankfurt eine Cannabis-Anbauvereinigung gründen möchten oder bereits erste Schritte dazu unternommen haben, zu einer Informations- und Austauschveranstaltung ein. Die erste Veranstaltung am 14. Mai 2024 im Drogenreferat ist bereits ausgebucht. Daher gibt es eine weitere Veranstaltung, die online stattfinden wird, und zwar


am Dienstag, den 28. Mai 2024, von 18:00 bis 19:00 Uhr.


Anmeldungen werden erbeten an: drogenreferat@stadt-frankfurt.de.


Das Drogenreferat wird über ausgewählte Regelungen für Anbauvereinigungen informieren. Zugleich soll es Raum für Fragen und für einen Austausch über die Bedarfe von Anbauvereinigungen in der Gründungsphase geben.


Netzwerktreffen zu den Neuerungen durch das Cannabisgesetz


Auch die nächste Sitzung des regionalen Netzwerks wird sich mit dem Cannabisgesetz beschäftigen. Ein Schwerpunkt soll hier auf die damit verbundenen Auswirkungen auf Cannabis als Medizin liegen. Die Veranstaltung findet wie üblich online statt und zwar


am Mittwoch, den 15. Mai 2024, von 18:00 bis 19:00 Uhr.


Das regionale Netzwerk Rhein-Main wird vom Drogenreferat der Stadt Frankfurt organisiert und dient dem Austausch über die aktuelle Versorgung mit Cannabis-Medikamenten und über alle Fragen rund um die Verschreibung oder die rechtliche Situation. Medizinische und pharmazeutische Fachkräfte aus Frankfurt am Main und Umgebung sind herzlich dazu eingeladen.


Bitte schreiben Sie uns eine E-Mail, um die Zugangsdaten zur Sitzung zu erhalten: medizinisches.cannabis@stadt-frankfurt.de. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!


Frankfurter Drogenreferat bei den Hamburger Suchttherapietagen


Die 28. Suchttherapietage stehen vom 21. bis zum 24. Mai unter dem Motto: „Sucht – Selbsthilfe, Fremdhilfe, Hilfe mit System?“ Das Frankfurter Drogenreferat beteiligt sich mit zwei Veranstaltungen. Für den 23. Mai um 9:00 Uhr ist die Veranstaltung „Auf dem Weg zur Cannabis-Modellregion – Erfahrungen aus Frankfurt am Main“ angekündigt. Direkt im Anschluss daran, ab 10:45 Uhr, folgt das Seminar „Crack – Erfahrungen und Handlungsansätze der Stadt Frankfurt am Main“.


Der letzte Tag der Suchttherapietage ist ausschließlich dem Thema Cannabis gewidmet. „Perspektiven und Herausforderungen der Cannabis-Legalisierung“ lautet der Titel des Cannabis-Fachtags am 24. Mai.


Die Ärztekammer Hamburg hat die Veranstaltungen mit 24 Fortbildungspunkten zertifiziert.


Veranstaltung zu Cannabiskonsum bei Heranwachsenden


Mit den Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die Hirnentwicklung Heranwachsender beschäftigt sich die Veranstaltung „Your Brain – Your Choice“, organisiert vom Haus am Dom. Als Referent spricht Dr. med. Christoph W. Gerth, Chefarzt Allgemeinpsychiatrie 1 und 2, Rheinhessen-Fachklinik Alzey. Die kostenfreie Veranstaltung findet


am 15. Mai 2024 von 19:00 bis 21:00 Uhr im Haus am Dom, Domplatz 3, 60311 Frankfurt,


statt. Weitere Informationen finden Sie hier.


2. Aktuelles aus Deutschland

Erste Erfahrungen mit dem Cannabisgesetz


Seit dem 1. April gilt in Deutschland das Cannabisgesetz (CanG). Erwachsene dürfen im öffentlichen Raum bis zu 25 Gramm Cannabis bei sich tragen, zuhause gilt die Besitzobergrenze von 50 Gramm. Bis zu drei Pflanzen pro Erwachsenen sind für den Eigenbedarf erlaubt. Und zum 1. Juli treten die Regelungen für den gemeinschaftlichen Anbau in Cannabis-Anbauvereinigungen in Kraft.


Strittig waren bis zuletzt die Belastungen, die aus dem neuen Gesetz für die Justiz erwachsen. Zumindest für die Polizei in Hessen scheint es anfangs zu keinem großen Mehraufwand gekommen zu sein, wie die Hessenschau berichtete: Dem Landeskriminalamt waren in den ersten Tagen nach der Cannabis-Freigabe keine größeren Einsatzmaßnahmen oder Zwischenfälle in Hessen bekannt.


Belastungen für die Staatsanwaltschaften


Für die Staatsanwaltschaften hingegen kam es durch den rückwirkenden Straferlass im Cannabisgesetz kurzfristig zu erheblicher Mehrarbeit. Noch nicht (vollständig) vollstreckte Strafen wegen Taten, die seit dem 1. April straffrei sind, dürfen nicht mehr vollzogen werden. Allein in Hessen mussten dafür 190.000 Verfahren gesichtet werden, wie die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft der Hessenschau mitteilte.


Alle laufenden Strafvollstreckungen waren zu überprüfen, weil theoretisch in jedem Verfahren neben anderen Straftaten auch ein Cannabis-Delikt eine Rolle spielen kann. Eine zielgenaue elektronische Suche nach den für die Amnestie in Frage kommenden Fällen scheint weder in Hessen noch in einem anderen Bundesland möglich zu sein.


Umstrittene Details


Manches Detail im Cannabisgesetz führt bereits zu kontroverser Auslegung. Dazu gehören die Abstandsregeln für den Konsum im öffentlichen Raum. Häufig liest man, innerhalb von hundert Metern von Schulen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen sei der Konsum verboten. Das Gesetz spricht allerdings von „Sichtweite“ und führt dazu aus: Eine Sichtweite ist „bei einem Abstand von mehr als 100 Metern von dem Eingangsbereich der … Einrichtungen nicht mehr gegeben“. Nach Ansicht der Bundestagsabgeordneten Carmen Wegge (SPD) gilt diese feste Distanz nur bei freier Sicht. „Das kann auch deutlich weniger als 100 Meter sein“, schreibt sie auf X. Ein Sprecher des bayrischen Gesundheitsministeriums plädierte hingegen im Bayrischen Rundfunk für eine „restriktive Auslegung“. Eine Sichtweite sei grundsätzlich auch dann noch gegeben, „wenn lediglich ein Baum oder eine Hecke die Sichtlinie unterbricht“. Mehr noch: Bei dazwischenstehenden Mauern oder Gebäuden müsse im Einzelfall anhand der Umstände vor Ort beurteilt werden, ob „Sichtweite“ gegeben ist.


Diese Problematik lässt sich womöglich erst durch (höchstinstanzliche) Rechtsprechung klären. Das gilt genauso für die Auseinandersetzung um den inländischen Verkauf von Cannabissamen. Unstrittig erlaubt das Cannabisgesetz den Bezug von Cannabissamen für den Eigenanbau schon jetzt über den Fernabsatz im europäischen Ausland. Ab 1. Juli soll der Erwerb von Vermehrungsmaterial auch über die Anbauvereinigungen möglich sein. Der Gesetzestext vermittelt den Eindruck, die Möglichkeiten für den Handel mit Cannabissamen damit abschließend aufzuzählen. Der Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. legt das Gesetz in einem Diskussionspapier aber anders aus. Demnach dürften auch Ladengeschäfte des stationären Einzelhandels legal Cannabissamen verkaufen.


Bußgelder bei Verstößen gegen Ordnungswidrigkeiten


Zahlreiche Fragen müssen noch auf Länderebene geklärt werden, zum Beispiel die Höhe der Geldbußen bei den neuen Ordnungswidrigkeiten. Bayern ist hier vorgeprescht und hat bereits am 25. März einen „Bußgeldkatalog Konsumcannabis“ veröffentlicht. Für eine geringfügige Überschreitung der Besitzmengen beispielsweise droht in dem Freistaat nun eine Geldbuße von 500 bis 1.000 €. Der Strafverteidiger Konstantin Grubwinkler bezeichnete diese Beträge in einem Interview mit ZDFheute als „unverhältnismäßig“. Er würde Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz mit „kleineren Geschwindigkeitsüberschreitungen" vergleichen. „Dass man im Bereich 30, 50, 100 Euro liegt. Also ein Zehntel von dem, was wir jetzt haben." Zahlreiche andere Bundesländer, darunter Hessen, haben verkündet, ebenfalls an einem Bußgeldkatolog zum Cannabisgesetz zu arbeiten, wie die Online-Plattform LTO berichtete.


Verwaltung von Anbauvereinigungen


Auch was die Verwaltung der Anbauvereinigungen angeht, stehen die Bundesländer unter Beobachtung. Im Gesetz heißt es, dass Erlaubnis und Überwachung durch die „zuständige Behörde“ erfolge. Wer damit gemeint ist, bestimmen die Länder. Und es ist erneut Bayern, das sich hier sehr früh festgelegt hat. Schon in der Kabinettssitzung vom 12. März beschloss die bayrische Landesregierung die Einrichtung einer zentralen Kontrolleinheit zur Erteilung von Erlaubnissen an Anbauvereinigungen und deren anschließende Überwachung. Sie soll am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit angesiedelt werden und dafür 20 neue Planstellen erhalten. Für den Aufbau und Betrieb der zentralen Kontrolleinheit rechnet die Staatsregierung mit Kosten in Höhe von rund sechs Millionen Euro. Die bayrische Landesregierung erhofft sich damit eine strenge Umsetzung des Cannabisgesetzes, „um Konsumanreizen möglichst entgegenzuwirken und den Erfordernissen des Gesundheits- und Jugendschutzes im Rahmen des rechtlich Zulässigen umfassend Rechnung zu tragen“.


In Hessen hingegen ist bislang keine zuständige Behörde für die Anbauvereinigungen bestimmt. Der Hessische Städtetag hatte im März der Landesregierung vorgeschlagen, dass „das Land Zulassung und Überwachung von Anbauvereinigungen und ihrer Tätigkeit ausschließlich in eigener Verantwortung durchführt und nicht auf die Kommunen delegiert“, wie in der Frankfurter Rundschau zu lesen war. Dem Bericht zufolge sollen dazu zeitnah Gespräche in Wiesbaden stattfinden.


Erste Änderungen am Gesetz in Aussicht


Bis dahin könnte das Cannabisgesetz schon zum ersten Mal abgeändert worden sein. Bereits bei der Abstimmung im Bundesrat ist die Bundesregierung den Ländern mit einer Protokollerklärung entgegengekommen. Versprochen wurden unter anderem mehr Geld für die Prävention, aber auch strengere Kontrollen der Anbauvereinigungen. So sollen beispielsweise nicht eine Vielzahl von Anbauvereinigungen Anbauflächen am selben Ort bzw. im selben Objekt betreiben dürfen. Ein erster Gesetzentwurf liegt mittlerweile vor und steht für eine erste Lesung am 16. Mai auf der Tagesordnung im Bundestag.


Eine Kurz-Übersicht zu den aktuell geltenden Regelungen des Cannabisgesetzes bietet das Drogenreferat auf seinem Internet-Auftritt. Ausführliche Informationen findet man in einer FAQ-Liste des Bundesgesundheitsministeriums. Und wer sich seine Fragen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach persönlich beantworten lassen will, kann sich dessen Sprechstunde „Cannabis Spezial“ auf YouTube anschauen.


Auswirkungen der neuen rechtlichen Regelungen auf Cannabis als Medizin


Häufig wird das Cannabisgesetz nur mit dem Freizeitkonsum in Verbindung gebracht. Dabei führt es auch zu vielen Veränderungen für den Medizinalbereich.


Seit dem 1. April fallen Cannabisarzneimittel nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz. Damit soll der Aufwand für Ärzteschaft und Apotheken sinken, wie das Handelsblatt beschreibt. Apotheken müssen Cannabis-Produkte nicht mehr wie bisher in Tresoren aufbewahren. Außerdem fällt Bürokratie weg: Bisher verschrieben Ärzt:innen Cannabis per Betäubungsmittelrezept, das zwei Durchschläge hat. Einer davon musste in der Arztpraxis aufbewahrt werden, der andere in der Apotheke – und das für drei Jahre.


Mehr Privatrezepte


„Wir erwarten deutlich mehr Nachfrage“, lässt sich Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, in dem Bericht zitieren. „Medizinisches Cannabis wird entstigmatisiert und einfacher verschreibbar.“


Damit scheint er Recht zu behalten. Der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA) beobachtet laut Frankfurter Rundschau einen starken Anstieg an Privatrezepten für Cannabis seit dem 1. April, vor allem ausgestellt von Telemediziner:innen. Michael Kambeck, politischer Sprecher vom Bund deutscher Cannabis-Patienten (BDCan), spricht von einer „Menge an Pseudo-Patientinnen und -Patienten“.


Kontroverse um den Einsatz von Telemedizin


Zwar ist der Besitz von Cannabis zum Freizeitkonsum mittlerweile entkriminalisiert. Aber bisher gibt es keinen legalen Bezugsweg. Wer zum 1. April mit dem Eigenanbau begonnen hat, wird noch keine Ernte eingefahren haben. Und die Anbauvereinigungen kommen sowieso erst im Juli. Was liegt da näher, als bei einer telemedizinischen Behandlung Schlafstörungen anzugeben, um Cannabis aus der Apotheke zu erhalten?


Julian Wichmann, CEO beim Unternehmen Algea Care, das auf seiner Homepage im April mit dem Slogan „Cannabis auf Rezept für nur 1 €“ warb, hält in der Frankfurter Rundschau dagegen: „Patientinnen und Patienten mit Schlafstörungen vorweg ein täuschendes Verhalten oder gar einen Missbrauch zu unterstellen, zeigt die leider bestehende Stigmatisierung … von medizinischem Cannabis“. Die Telemedizin kann bei seriöser Anwendung ein Instrument darstellen, um schwer zu erreichende Patientengruppen für eine geeignete Behandlung zu gewinnen.


Eigenanbau keine Alternative für ärztlich angeleitete Cannabis-Therapie


Nicht nur steht die Vermutung im Raum, Freizeitkonsument:innen würden vermehrt auf den Markt für Medizinalcannabis drängen. Der VCA beobachtet auch, wie Patient:innen in Arztpraxen neuerdings auf den erlaubten Eigenanbau verwiesen werden. „Diese Art der Selbstmedikation kann nicht der richtige Weg sein für die Therapie mit Medizinalcannabis“, sagt Christiane Neubaur, Geschäftsführerin des Verbands, in der Frankfurter Rundschau.


Patient:innen mit medizinischen Cannabis leiden regelmäßig an schweren und chronischen Erkrankungen. In der Begleiterhebung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurde eine durchschnittliche Erkrankungsdauer von acht Jahren festgestellt. 70% der Patient:innen mit Cannabis-Arzneimitteln wurden bereits mit Opiaten/Opioiden behandelt. Dieser Personenkreis benötigt unabhängig von seiner finanziellen Leistungsfähigkeit einen Zugang zu ärztlich angeleiteter und überwachter Behandlung mit Cannabisarzneimitteln.


Neuer Grenzwert im Straßenverkehr geplant


Eine vom Bundesverkehrsministerium eingesetzte Expertengruppe hat eine Empfehlung für einen THC-Grenzwert im Straßenverkehr vorgelegt. Die Ampel-Koalitionäre haben signalisiert, diese Empfehlung schnell umzusetzen. Demzufolge handelt zukünftig ordnungswidrig, wer ein Fahrzeug führt und 3,5 Nanogramm THC oder mehr pro Milliliter im Blutserum hat. Dies gilt nicht, wenn der THC-Nachweis im Blut von der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Medikaments herrührt. Auch dazu liegt bereits ein Gesetzentwurf vor und steht am 16. Mai auf der Tagesordnung im Bundestag.


G-BA: Genehmigungsvorbehalt wird bis Juni neu geregelt


Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) arbeitet an einer Änderung der Arzneimittelrichtlinie, wie bereits im letzten Newsletter berichtet. Konkret soll geregelt werden, bei welcher ärztlicher Qualifikation der Genehmigungsvorbehalt bei der Erstverordnung von Cannabis zukünftig entfallen kann. Die mündliche Anhörung zum Stellungnahmeverfahren fand am 11. März statt. Ein entsprechender Beschluss wird laut G-BA „im ersten Halbjahr 2024“ erwartet. Für die nächste öffentliche Sitzung am 16. Mai steht das Thema noch nicht auf der Tagesordnung.


Kongress der Deutschen Medizinal-Cannabis Gesellschaft im Mai


Am 23. und 24. Mai findet in Berlin der 5. Medicinal Cannabis Congress der Deutschen Medizinal-Cannabis Gesellschaft e.V. (DMCG) statt. Am ersten Kongresstag stehen vor allem Fachbeiträge zur Behandlung von älteren Patient:innen auf dem Programm. Der zweite Tag bietet dann eine bunte thematische Mischung – vom Einsatz von Cannabinoiden in der Veterinärmedizin bis hin zu einem Blick auf das „Cannabis der Zukunft“. Die Veranstaltung ist mit insgesamt 9 CME-Punkten zertifiziert. Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeiten finden Sie hier.


3. Aktuelles aus aller Welt

Europa - Teilregistrierung der „European Cannabis Initiative“


Die Europäische Kommission hat am 6. Februar eine Bürgerinitiative zu Cannabis teilregistriert, wie sie in einer Pressemitteilung erklärte. In der European Cannabis Initiative wird die Kommission aufgefordert, drei Ziele umzusetzen. Für das erste Ziel - die Einberufung einer transeuropäischen Bürgerversammlung zu Cannabis - konnte keine Registrierung erfolgen, da die Kommission aus ihrer Sicht nicht befugt ist, einen Vorschlag für einen solchen Rechtsakt vorzulegen. Zugelassen wurden die anderen beiden Ziele der Initiative, nämlich erstens den Zugang zu medizinischem Cannabis zu fördern und den Transport von Cannabis in der gesamten EU zu ermöglichen und zweitens Ressourcen für die Erforschung von Cannabis für therapeutische Zwecke aufzubringen.


Die mit dem Vertrag von Lissabon eingeführte Europäische Bürgerinitiative ermöglicht es Unionsbürger:innen, ein bestimmtes Thema auf die politische Tagesordnung der Kommission setzen zu lassen. Das Initiativrecht wurde im April 2012 offiziell eingeführt. Durch die Registrierung haben die Organisator:innen sechs Monate Zeit, mit der Unterschriftensammlung zu beginnen. Wenn sie dann innerhalb eines Jahres eine Million Unterstützungsbekundungen aus mindestens sieben verschiedenen Mitgliedstaaten erhalten, muss die Kommission darauf reagieren. Sie entscheidet zwar unabhängig, ob sie der Initiative nachkommen will oder nicht, muss ihre Entscheidung aber in jedem Fall begründen. Seit es die Europäische Bürgerinitiative gibt, hat die Kommission 110 Initiativen registriert.


Griechenland – erste Cannabisblüten aus Apotheken


Im Jahr 2017 erlaubte Griechenland medizinisches Cannabis. Im Februar 2024, rund sieben Jahre später, erhielten die ersten Patient:innen Cannabis-Blüten aus einer Apotheke. Die sechzigjährige Psoriaris-Arthritis-Patientin Anna Paga gehörte dazu und konnte einem Bericht der Bussiness of Cannabis zufolge ihr Glück kaum fassen: „Was kann ich über diesen Tag sagen? Ein ganz großes Dankeschön, Erleichterung, Rechtfertigung, Lebensfreiheit. … Ich hatte es nicht erwartet, ich konnte es nicht glauben. Ich brach in Tränen aus - Schluss mit den Risiken und der Angst!“


Wie kam es zu diesem langen Zeitraum zwischen gesetzlicher Regelung und Umsetzung? Wesentlich waren hier wohl zum einen ein umstrittenes Importverbot und zum anderen der sehr langsame Aufbau einer inländischen Produktion. Nur Fertigarzneimittel waren über ein aufwändiges Ausnahmeverfahren für einzelne Patient:innen erhältlich.


Die Verschreibung von Cannabis erfolgt in Griechenland ausschließlich über Fachärzt:innen. Eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist nicht möglich. Der Preis für die nun in Apotheken erhältlichen Blüten beträgt rund 16,50 € pro Gramm.


Bei Reisen nach Griechenland mit medizinischem Cannabis muss weiterhin eine Bescheinigung nach Artikel 75 des Schengener Durchführungsübereinkommens mitgeführt werden. Informationen zum Reisen mit Cannabis-Arzneimitteln finden sich auf der Website des BfArMs.


Schweiz – Zwischenergebnisse der Studie WeedCare


Das Gesundheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt hat in einer Pressemitteilung im März über erste Zwischenergebnisse zur Studie „WeedCare“ informiert, einem Pilotversuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken. Am 30. Januar 2023 startete der Verkauf von Cannabis aus Schweizer Bio-Produktion für 378 Teilnehmende. Ein Jahr später ist für 40 Personen (11 Prozent) die Studie vorzeitig beendet, überwiegend aufgrund nicht ausgefüllter Fragebögen. Insgesamt wurden im ersten Studienjahr 41 Kilogramm Studiencannabis in den Apotheken verkauft. Während die Zufriedenheit mit der Apotheke als Bezugsquelle (94%) sehr hoch ist, werden die Produktpalette (57%) und die Produktqualität (69%) deutlich weniger gut bewertet. 67 Prozent der Teilnehmenden wünschen sich zusätzlich zu den erhältlichen Blüten- und Haschprodukten auch sogenannte Edibles, THC-Öl und E-Liquids. Außerdem favorisieren die Teilnehmenden teilweise stärkere Produkte mit mehr als den zugelassenen 20 Prozent THC. Das könnte der Grund sein, warum 49 Prozent der Teilnehmenden neben dem Studiencannabis auch Cannabis aus illegalen Quellen konsumierten.


Nach Ansicht von Regine Steinauer, Leiterin Abteilung Sucht, lassen die Zwischenergebnisse noch keine abschließenden Erkenntnisse zu. „Es scheint sich aber zu zeigen, dass sich die Produktepalette mehr an den Bedürfnissen der Konsumierenden orientieren muss, um zukünftig eine Auswirkung auf den Schwarzmarkt zu erreichen.“


Die gemeinsame Studie des Gesundheitsdepartements Basel-Stadt, der Universitären Psychiatrischen Kliniken, der Psychiatrischen Dienste Aargau sowie der Universität Basel dauert noch bis Juli 2025. Danach wird ein Schlussbericht erstellt.


Kanada – höhere Steuereinnahmen aus Cannabis als aus Bier und Wein


Eine vollständige Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken kann erhebliche Mehreinnahmen für den Staat bedeuten. Das lässt sich in Kanada gut beobachten: Dort wurden im Geschäftsjahr 2022 - 2023 Steuereinnahmen aus Cannabis in Höhe von 894,6 Millionen Kanadische Dollar erzielt, wie im Börsenmagazin Der Aktionär nachzulesen war. Dieser Betrag liegt über den Steuereinnahmen aus Wein (277,6 Millionen) und Bier (610,1 Millionen) zusammen.


Weltweit - internationale Razzia gegen mutmaßliche Cannabis-Betrugsfirma


Im Rahmen der Ermittlungen gegen die Internetplattform Juicy Fields mit Sitz in Berlin wurde im April eine großangelegte Razzia in vier Ländern durchgeführt, wie die Polizei Berlin mitteilte.


Juicy Fields soll seit 2020 sogenanntes E-Growing angeboten haben: Investor:innen konnten sich über virtuelle Gewächshäuser an Anbau, Ernte und Verkauf von medizinischen Cannabispflanzen beteiligen, wofür erhebliche Rendite in Aussicht gestellt wurden. Das Angebot soll bewusst auch auf Kleinanleger:innen abgezielt haben, denn eine Beteiligung war bereits ab einem Betrag von 50 Euro möglich. Die Pflanzen selbst haben aber wohl gar nicht existiert. Vielmehr soll es sich um ein groß angelegtes „Schneeballsystem“ gehandelt haben. Mutmaßliche Betrugsopfer gibt es vermutlich in mehr als 35 Ländern.


Durchsucht wurden siebzehn Wohnanschriften in Deutschland, zwei in Lettland, eine Geschäftsanschrift in Estland sowie fünf Wohnanschriften und vier Geschäftsanschriften in Polen. In Deutschland wurden zwei Personen verhaftet. Wenige Tage später berichtete CannaReporter, in der Dominikanischen Republik sei Paul Bergholts, der mutmaßliche Anführer des Juicy-Fields-Pyramidensystems, festgenommen worden.


4. Aktuelles aus der Forschung

Kein Nachweis für indikationsspezifische Wirksamkeit verschiedener Blüten


Mit Hilfe einer Online-Umfrage unter 1.028 Cannabis-Patient:innen in Deutschland gingen Szejko et al. (2024) der Frage nach, ob bestimmte Sorten von Cannabisblüten bei bestimmten Indikationen wirksamer sind als andere. Nachweise dafür konnten nicht erbracht werden. Bei vielen anderen Aspekten reiht sich die Studie gut in den aktuellen Forschungsstand ein: Am häufigsten wurde Cannabis bei den Studienteilnehmenden gegen Schmerzen eingesetzt. Der selbstberichtete Therapieerfolg ist hoch - insgesamt betrug die durchschnittliche von Patient:innen berichtete Wirksamkeit bei 80,1%.


Verbesserung der Lebensqualität


Gastmeier et al. (2024) führten ebenfalls eine Online-Befragung unter Patient:innen mit ganz unterschiedlichen Indikationen durch. Dabei konnten 1.030 Datensätze in die Auswertung einbezogen werden. Die Lebensqualität verbesserte sich laut subjektiver Einschätzung bei 84 % aller teilnehmenden Patient:innen deutlich.


Der Einsatz von medizinischem Cannabis bei älteren Menschen


In einer Auswertung von Daten aus dem Canadian Cannabis Patient Survey 2021 (N=2.697) arbeiteten Walker et al. (2024) Besonderheiten bei der Verwendung von Medizinalcannabis bei älteren Menschen heraus. Der Studie zufolge werden bei dieser Gruppe besonders oft oral einzunehmende Cannabisarzneimittel mit hohem CBD-Gehalt eingesetzt, hauptsächlich zur Behandlung schmerzbedingter Krankheiten. Gerade bei Personen, die auch verschreibungspflichtige Opioide einnahmen, handelte es sich überwiegend um ältere Patienten. 54 % berichteten über einen Rückgang des Opioid-Konsums während der Behandlung mit medizinischem Cannabis.


Wirksamkeit bei Migräne


In einer kontrollierten, randomisierten und doppelblinden Studie mit 92 Teilnehmenden konnten Schuster et al. (2024) zeigen, dass die Behandlung von akuter Migräne durch Cannabisblüten mit 6% THC und 11% CBD einer Behandlung mit Placebo-Blüten überlegen ist. Die Behandlung mit anderen Blüten (stark THC-dominant bzw. stark CBD-dominant) hatte weniger oder keine Wirkung im Vergleich zu den Placebo-Blüten.


Ermutigende Hinweise zur Migränebehandlung mit medizinischem Cannabis liefert auch eine US-amerikanische Befragung von 1.373 Kopfschmerz-Patient:innen von Starkey et al (2024). Mehr als die Hälfte geben an, in den letzten drei Jahren Cannabis genommen zu haben. Davon berichten wiederum viele von einer Verbesserung der Symptomatik, z.B. 78,1% bei der Intensität, 73,4% bei der Dauer und 62,4% bei der Häufigkeit.


Kostenhürde für Endometriose-Behandlung in Australien


Proudfoot et al. (2024) führten eine Online-Befragung mit 192 Endometriose-Patientinnen in Australien durch. Ein Großteil berichtete von Symptomverbesserungen durch die Einnahme von Cannabis in verschiedenen Bereichen, angeführt vom Schlaf (68,9%). Die hohen Kosten, die privat übernommen werden müssen, stellen allerdings eine hohe Hürde dar. 76,1% haben deswegen schon mal ihre Cannabis-Dosis reduziert, 42,9% sind auf den illegalen Schwarzmarkt ausgewichen.


Medizinisches Cannabis und Fahrtüchtigkeit


In einer kleinen semi-naturalistischen Studie untersuchten Manning et al. (2024), wie sich die Einnahme von medizinischem Cannabis auf die Verkehrstüchtigkeit auswirkt. Dazu wurden 40 Patient:innen mit ganz unterschiedlichen Erkrankungen kurz vor, zweieinhalb sowie fünf Stunden nach ihrer Medikamenteneinnahme Tests am Fahrsimulator ausgesetzt. Die Autor:innen kommen zum Ergebnis, dass medizinisches Cannabis, das wie verschrieben eingenommen wird, einen vernachlässigbaren Einfluss auf die simulierte Fahrleistung hat.


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