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Newsletter Medizinisches Cannabis
4. Ausgabe 2022

Liebe Leserinnen und Leser,

in den vergangenen Monaten ist beim Thema Cannabis viel geschehen: Im März beschloss der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Änderung der Arzneimittelrichtlinie. Aktuell beschäftigt sich der Bundestag mit einem Gesetzentwurf, durch den der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen zumindest für einzelne (Fach-)Arzt-Gruppen abgeschafft werden soll. Mit der Vorlage eines Referent:innen-Entwurfs zum Cannabis-Gesetz ist auch in die Debatte um den Freizeitkonsum neue Bewegung gekommen.

Wir wünschen viel Freude beim Lesen unseres Newsletters und einen schönen Sommer!

Herzlich,
Ihr Projektteam Cannabismedikation
Drogenreferat der Stadt Frankfurt am Main

Inhalt

(1.) Aktuelles aus Frankfurt am Main

- Das Projekt „Medizinisches Cannabis“ bei den Suchttherapietagen in Hamburg

- Fachveranstaltungen im regionalen Netzwerk Rhein-Main

- Cannabis-Befragung wird wegen Manipulationsversuch der Ergebnisse neu ausgewertet

- Filmvorführung und Diskussion zum Thema „Jugend und Cannabis“

- Projekt „Medizinisches Cannabis“ bei den „Aktionswochen Älterwerden“

(2.) Aktuelles aus Deutschland

- Änderung der Arzneimittelrichtlinie seit 30. Juni in Kraft

- Fachverbände gegen Nachrang von Blüten und für Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts

- Ausnahme vom Genehmigungsvorbehalt für (Fach-)Arztgruppen geplant

- Verkaufspreis von deutschen Cannabis-Blüten erhöht

- Vernichtete Cannabis-Blüten für Apotheken nicht mehr abrechenbar

- Geplanter Wegfall von Betäubungsmittelrezepten und Abgabebelegverfahren

- Regelmäßige Online-Fortbildungen der ACM

- Cannabis zum Freizeitkonsum: Entkriminalisierung und Modellregionen

(3.) Aktuelles aus aller Welt

- USA: Legalisierung in Delaware und Minnesota, Einschränkungen in Florida

- Kanada: Geringere Teilnahme am Medizinalcannabis-Programm seit 2018

- Australien: Starker Wachstum des Markts für Cannabis-Medikamente

- Ukraine: Selenskyj für Legalisierung von medizinischem Cannabis

(4.) Aktuelle Studienergebnisse

- Fibromyalgiesyndrom: Hinweise auf Wirksamkeit von Medizinalcannabis

- Anhaltspunkte für Linderung von demenzbedingter Agitiertheit durch Cannabis

- Kein formaler Nachweis für Wirksamkeit bei Tourette-Syndrom/Tic-Störungen

- Keine Wirksamkeit von medizinischem Cannabis bei neuropathischen Schmerzen

- Steigerung der Lebensqualität bei chronischen Krankheiten

- Verbesserung der Lebensqualität, aber häufige Nebenwirkungen

1. Aktuelles aus Frankfurt am Main

Das Projekt „Medizinisches Cannabis“ bei den Suchttherapietagen in Hamburg


Die Suchttherapietage in Hamburg standen dieses Jahr unter dem Motto „Auswirkungen von Krisen auf Suchthilfe und Prävention“. Das Drogenreferat nutzte die Gelegenheit, um das Projekt „Medizinisches Cannabis“ bei einem Seminar am 16. Mai einer interessierten Fachöffentlichkeit vorzustellen.


Im Zentrum standen dabei die Untersuchungen zur regionalen Versorgungssituation und Maßnahmen des Drogenreferats, um vorhandene Behandlungsbarrieren zu reduzieren. Dazu zählen Fortbildungen und Vernetzungsmöglichkeiten für Fachkräfte, aber auch Beratungs- und Informationsangebote für Patient:innen.


Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Änderung der Arzneimittelrichtlinie diskutierten die Teilnehmenden zum Abschluss über die Zukunft von Medizinalcannabis in Deutschland.


Fachveranstaltungen im regionalen Netzwerk Rhein-Main


In der Sitzung am 10. Mai beschäftigte sich das Regionale Netzwerk Rhein-Main mit dem Thema „Cannabis und Cannabinoide in der Schmerztherapie“. Nach einer Einführung von Bettina Brock, Fachärztin für Anästhesiologie, tauschten sich die Teilnehmenden unter anderem über unterschiedliche Darreichungsformen von Cannabis als Medizin aus.


Am 19. Juli stand das Thema „Cannabis und Verkehrstüchtigkeit“ im Mittelpunkt. Der Toxikologe Dr. Fabian Steinmetz beleuchtete das Thema auch unter Berücksichtigung der aktuellen Debatte um neue Grenzwerte für den Straßenverkehr.


Im nächsten Treffen geht es um die „Verordnung von Cannabisblüten“. Einführen in das Thema wird der Facharzt für Chirurgie, Dr. med. Thomas Engelhardt, am Mittwoch, dem 20. September, von 18:00 bis 19:00 Uhr.


Das Treffen findet wie üblich online statt. Alle medizinischen und pharmazeutischen Fachkräfte aus Frankfurt am Main und Umgebung sind herzlich eingeladen. Bitte schreiben Sie uns eine E-Mail, um die Zugangsdaten zur Sitzung zu erhalten: medizinisches.cannabis@stadt-frankfurt.de. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!


Sie finden die aktuellen Daten und Themen für die Sitzungen auch auf unserer Website.


Cannabis-Befragung wird wegen Manipulationsversuch der Ergebnisse neu ausgewertet


Bei der Befragung des Drogenreferats der Stadt Frankfurt am Main zum Thema Cannabis kam es zu einem Manipulationsversuch mit gefälschten Fragebögen. Stadtrat Stefan Majer und Referatsleiter Dr. Artur Schroers bestätigten, dass sich unter den 3.001 beantworteten Rücksendungen von Frankfurterinnen und Frankfurtern vermutlich 350 „sehr clever gemachte“ Kopien befinden.


Die Fälschung wurde beim zweiten Frankfurter Cannabis-Gespräch am 24. Juni angesprochen. Journalist:innen waren offenbar im Vorfeld mit einem Bekennerschreiber auf die Manipulation hingewiesen worden. Daraufhin wurden alle postalisch eingegangenen Fragebögen vom Kooperationspartner des Drogenreferats, dem Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung in Hamburg (ISD), eingehend geprüft. Die Fälschungen waren mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Sie wurden nur aufgrund von kleinen Details als Kopien identifiziert.


Dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass die Befragung mit mehr als 2.500 „echten“ beantworteten Rücksendungen dennoch repräsentativ bleibt. Der provozierte Fehler lässt sich korrigieren. Nach einer erneuten Prüfung und Bereinigung werden die Fragebögen nochmals ausgewertet. Mit einem Ergebnisbericht ist im September zu rechnen.


Filmvorführung und Diskussion zum Thema „Jugend und Cannabis“


Das 3. Frankfurter Cannabis-Gespräch beschäftigt sich mit dem Thema „Jugend und Cannabis“ am Samstag, den 23. September, von 16:00 bis 18:00 Uhr.


Die Veranstaltung findet im Raum „Auditorium“ des Gesundheitsamts, Breite Gasse 28, 60313 Frankfurt, statt. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.


Als Einstieg wird der Film „Die grüne Brille“ des Medienprojekts Wuppertal gezeigt. Der Film zeigt Gründe, Umstände, Wirkungen und Folgen des Konsums von Cannabis aus Sicht jugendlicher Nutzer:innen. Im Anschluss diskutieren Expert:innen mit dem Publikum.


Mit der Veranstaltungsreihe der „Frankfurter Cannabis-Gespräche“ möchte das Drogenreferat der Stadt Frankfurt die Bürgerinnen und Bürger zu verschiedenen Aspekten rund um das Thema Cannabis informieren und zum Austausch anregen. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte dem Flyer.


Projekt „Medizinisches Cannabis“ bei den „Aktionswochen Älterwerden“


Erst seit 2017 können in Deutschland Cannabisarzneimittel auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden. Vielen älteren Menschen ist diese neue Therapiemöglichkeit noch nicht geläufig. Dabei leiden gerade alte Personen häufig an Erkrankungen, für die sich die Verordnung von Medizinalcannabis anbietet.


Aus dem Grund möchte das Drogenreferat das Thema Medizinisches Cannabis bei der älteren Bevölkerung bekannter machen und beteiligt sich an den diesjährigen „Aktionswochen Älterwerden“. Die Veranstaltungsreihe des Sozialdezernats bündelt jährlich etwa 150 Angebote und Veranstaltungen für ältere Menschen von unterschiedlichen Trägern und Akteur:innen in der Stadt Frankfurt.


Mit dem Thema „Medizinisches Cannabis – eine Heilpflanze mit Potenzial“ beteiligt sich das Drogenreferat am Donnerstag, den 28. September, von 14:00 bis 15:30 Uhr, an der Aktionswoche.


Der Vortrag im Rathaus für Senioren (Hansaallee 150, 60320 Frankfurt am Main) bietet Gelegenheit für Fragen und zum Austausch. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung wird erbeten unter: medizinisches.cannabis@stadt-frankfurt.de.


Weitere Informationen und in Kürze auch ein Programm zu den Aktionswochen Älterwerden finden Sie im Internet.


2. Aktuelles aus Deutschland

Änderung der Arzneimittelrichtlinie seit 30. Juni in Kraft


Mit Spannung war die Änderung der Arzneimittelrichtlinie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erwartet worden. Der bereits im Oktober 2022 veröffentlichte Entwurf ließ vermuten, dass der Zugang zu medizinischem Cannabis erheblich erschwert werden könnte. Auch die Stadt Frankfurt hatte sich kritisch dazu positioniert.


Die am 16. März beschlossene und am 30. Juni in Kraft getretene Änderung fiel jedoch als weniger einschneidend als erwartet aus. Insbesondere wurde die Idee eines Facharztvorbehalts fallengelassen. Unverändert dürfen Ärzt:innen aller Fachrichtungen medizinisches Cannabis verschreiben. Einen vereinfachten Zugang zu Cannabisarzneimitteln gibt es über die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV). Hier entfiel der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen.


Allerdings kamen mit der Änderung der Arzneimittelrichtlinie auch Hürden speziell für die Verordnung von Cannabis-Blüten hinzu. So heißt es neu in der Arzneimittelrichtlinie: „Vor einer Verordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten ist zu prüfen, ob andere cannabishaltige Fertigarzneimittel zur Verfügung stehen, die zur Behandlung geeignet sind. Die Verordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten ist zu begründen.“


Fachverbände gegen Nachrang von Blüten und für Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts


Gegen den Nachrang von Blüten bei der Verordnung von Cannabis-Arzneimitteln richtet sich ein Positionspapier von acht Fachverbänden. In dem Schreiben vom 17. Mai mahnen Organisationen von Patient:innen, Ärzteschaft, Apotheken und Cannabisbranche: „Die zusätzliche Forderung nach einer expliziten ärztlichen Begründung im Rahmen des Genehmigungsvorbehalts nur für Cannabisblüten wird das Genehmigungsverfahren und damit den Zugang für Patientinnen und Patienten zu einer geeigneten Therapieform unnötig einschränken und erschweren.“ Es sei bekannt, dass für eine Vielzahl von Anwendungen gerade die schnelle Wirkstoffaufnahme durch das rasche Anfluten beim Verdampfen und Inhalieren von Cannabis erforderlich sei, die weder durch verfügbare cannabinoidhaltige Fertigarzneimittel noch durch die orale Aufnahme von Cannabisextrakten erzielt werden könne.


Die Verbände fordern, den Genehmigungsvorbehalt komplett zu streichen. Die Regelung sei mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden. Aufgrund der hohen Ablehnungsquote bleibe Patientinnen und Patienten häufig keine andere Wahl, als sich mit Cannabis aus unsicheren, illegalen Quellen zu versorgen.


Ausnahme vom Genehmigungsvorbehalt für (Fach-)Arztgruppen geplant


Mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (ALBVVG) soll in § 31 Sozialgesetzbuch V ein neuer Absatz 7 eingefügt werden: „Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum ... [einsetzen: Datum des ersten Tages des dritten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats] in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.“ Außerdem soll die Frist für die Genehmigung der Krankenkasse von drei auf zwei Wochen reduziert werden, bei einer Einschaltung des Medizinischen Dienstes von fünf auf vier Wochen.


Sollte dieser Gesetzesvorschlag Wirklichkeit werden, könnten schon bald bestimmte (Fach-)Ärzt:innen Cannabis auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse ohne gesondert zu beantragende Genehmigung verschreiben. Spannend bleibt die Frage, welche Gruppen von Ärzt:innen vom G-BA dafür ausgewählt werden. Der Gesetzentwurf wurde am 21. Juni vom Gesundheitsausschuss des Bundestages dem Parlament zur Annahme empfohlen.


Verkaufspreis von deutschen Cannabis-Blüten erhöht


Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat den Verkaufspreis für Medizinal-Cannabisblüten aus Deutschland zum 1. Juli von 4,30 € auf 5,80 € pro Gramm angehoben.


Aus Sicht des Internetportals apotheke adhoc könnte sich das vor allem für Selbstzahler:innen bemerkbar machen. Für sie seien deutsche Cannabis-Blüten aufgrund ihres niedrigeren Preises besonders beliebt. Durch die Erhöhung habe sich das Preisniveau von deutschen Blüten und Importware aber angenähert.


Zu dem Verkaufspreis von deutschen Blüten kommt noch ein Zuschlag für Rezepturarzneimittel in Höhe von 100 % und ggf. ein weiterer für Zubereitungen in Höhe von 90 % hinzu. Bei Importcannabis liegt der Grammpreis mit 9,52 € zwar deutlich höher, die Zuschläge sind aber nach Einkaufsmenge gestaffelt: Bei einem Einkauf bis zu 15 Gramm gibt es auch hier Zuschläge von 100 %, also 9,52 € pro Gramm. Ab 15 bis 30 Gramm verringern sich diese auf 3,70 € je weiteres Gramm, und bei mehr als 30 Gramm fallen sie auf 2,60 € pro Gramm.


Vernichtete Cannabis-Blüten für Apotheken nicht mehr abrechenbar


Ab dem 1. August können vernichtete deutsche Cannabis-Blüten nicht mehr abgerechnet werden, wie das Onlineportal apotheke adhoc berichtete.


Die BfArM-Cannabisblüten kommen in Gebindegrößen von 50 Gramm auf den Markt. Ab Marktverfügbarkeit haben sie oft nur eine Haltbarkeit von vier Monaten oder weniger. Daher bleiben in den Apotheken häufig Anbrüche übrig. Bislang konnten die vernichteten Blüten abgerechnet werden. Zum August hat der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) diese Regelung nun gekündigt. Damit ist zu fürchten, dass Medizinalcannabisblüten aus Deutschland gegenüber Importware zusätzlich an Attraktivität verlieren.


Geplanter Wegfall von Betäubungsmittelrezepten und Abgabebelegverfahren


Der Referentenentwurf des Cannabisgesetzes vom 5. Juli sieht Neuerungen für Cannabis als Arzneimittel vor. Unter anderem soll medizinisches Cannabis in Zukunft nicht mehr auf Betäubungsmittelrezepten, sondern auf normalen Rezepten verschrieben werden. Außerdem wird für Cannabis zu medizinischen Zwecken das Abgabebelegverfahren abgeschafft und damit bürokratischer Aufwand vermindert.


Regelmäßige Online-Fortbildungen der ACM


Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis in der Medizin e.V. (ACM) bietet neuerdings alle zwei Wochen Online-Fortbildungen für Ärztinnen und Ärzte an. Die Veranstaltungen mit dem Titel „Fallbesprechung aus der Praxis der Cannabistherapie“ finden an jedem 1. und 3. Mittwoch im Monat von 18:15 bis 19:00 Uhr statt. Die Teilnahme erfolgt über Zoom und ist kostenlos. Von der Ärztekammer Westfalen-Lippe ist die Veranstaltungsreihe mit 2 CME-Punkten pro Fortbildung zertifiziert. Die wissenschaftliche Leitung liegt bei Dr. Franjo Grotenhermen. Koreferentin ist Prof. Dr. Kirsten Müller-Vahl.


Cannabis zum Freizeitkonsum: Entkriminalisierung und Modellregionen


Mit dem neuen Eckpunktepapier vom 12. April hat die Bundesregierung ihre ursprünglichen Pläne einer bundesweiten kontrollierten Abgabe von Genusscannabis in lizensierten Fachgeschäften modifiziert. Hintergrund dafür sind Bedenken, dass die Regelung gegen EU-Recht verstößt.Stattdessen wurde nun das „2-Säulen-Modell“ angekündigt: In einem ersten Schritt sollen der Anbau in nicht-gewinnorientierten Vereinigungen und der private Eigenanbau ermöglicht werden. Die Abgabe in Fachgeschäften ist in einem zweiten Schritt als wissenschaftlich konzipiertes, regional begrenztes und befristetes Modellvorhaben geplant.


Zur ersten Säule, also zu Entkriminalisierung, Eigenanbau und Anbauvereinen, wurde im April ein erster Gesetzentwurf entwickelt. Der unter Verschluss gehaltene Entwurf wurde geleakt und von der Legal Tribune Online veröffentlicht. Kritik an dem Vorschlag kommt von unterschiedlichen Seiten:


Erwartungsgemäß stößt der Entwurf bei der konservativen Opposition auf Ablehnung. „Damit kein Missverständnis aufkommt: … Ich wünsche mir überhaupt keine Cannabis-Legalisierung“, erklärt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Er ergänzt zum bekannt gewordenen Text: „Der Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Lauterbach zu den Cannabis-Clubs ist ein Bürokratiemonster. Er ist so kompliziert, dass die Regelungen kaum umzusetzen, geschweige denn zu überwachen sind. ... Gleichzeitig kommt das wichtige Thema der Suchtprävention viel zu kurz.“


Aber auch Befürworter:innen einer Legalisierung äußern sich kritisch. Der Geschäftsführer des Deutschen Hanf-Verbands, Georg Wurth, sieht bei dem Gesetzentwurf noch viel Anpassungsbedarf, wie er in einem Interview in Der Westen mitteilt: „Zum Beispiel, dass in Anbau-Clubs kein Konsum vor Ort möglich sein soll. Oder, dass man privat drei Pflanzen pro Jahr anbauen darf. So eine Begrenzung ist komplett unsinnig, das kann man überhaupt nicht kontrollieren lassen.“


Franjo Grotenhermen, geschäftsführender Direktor der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM), geht auf die Bedeutung der Änderungsvorschläge für die Versorgung mit medizinischem Cannabis ein. „Solange der überwiegende Anteil bedürftiger Patientinnen und Patienten nicht über das Gesundheitssystem versorgt wird, begrüßen wir die Möglichkeit des Eigenanbaus. Dieser bietet einigen Patientinnen und Patienten eine Option, um aus der Illegalität herauszukommen. Allerdings sehen wir erhebliche Risiken, die mit einer Verdrängung von Patientinnen und Patienten in den Freizeitmarkt verbunden sind.“


Am 5. Juli veröffentlichte das Bundesgesundheitsministerium einen überarbeiteten Referentenentwurf zum Cannabisgesetz (CanG) auf seiner Homepage. Die neu vorliegende Fassung unterscheidet sich nur in Details vom geleakten Vorgänger-Entwurf. Unter anderem sollen Anbauvereinigungen nicht mehr die Möglichkeit haben, sozialversicherungspflichtige Beschäftigte einzustellen.


Noch etwas länger wird man auf Konkretisierungen zur zweiten Säule des Eckpunktepapiers warten müssen. Zu den regionalen Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten sei erst „im Herbst“ mit einem Gesetzentwurf zu rechnen, wie sich Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag, im Spiegel zitieren lässt. Die Regelung zu den Modellregionen ist nach Ansicht der Bundesregierung notifizierungspflichtig und soll daher der Europäischen Union vorgelegt werden. Die Stadt Frankfurt am Main hat bereits angekündigt, sich gemeinsam mit der Stadt Offenbach am Main als Modellregion zu bewerben.


Im Rahmen der Legalisierungsdebatte wird immer wieder die Notwendigkeit von zusätzlichen Mitteln für Prävention betont. Wie das angesichts der Sparpolitik auf Bundesebene gelingen kann, ist unklar. Die Tagesschau berichtete am 5. Juli von Kürzungen bei dem Posten "Aufklärungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs" im Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums von etwa 13,2 Millionen € im Jahr 2023 auf 9,2 Millionen € im Folgejahr. „Für Suchtprävention sollen also vier Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen. Für den Bundesgesundheitsminister ist das insofern heikel, da er versprochen hat, im Zuge der geplanten Cannabis-Legalisierung mehr für die Prävention gegen Drogenkonsum zu unternehmen. So hatte Lauterbach bereits mehrfach angekündigt, die geplante Legalisierung mit einer großen Präventionskampagne begleiten zu wollen.“


3. Aktuelles aus aller Welt

USA: Legalisierung in Delaware und Minnesota, Einschränkungen in Florida


In den USA sind Delaware und Minnesota der 22. und der 23. Staat, die den Freizeitkonsum von Cannabis für Erwachsene legalisieren. Einen Rückschritt gibt es hingegen in Florida. Gouverneur Ron DeSantis, einer der republikanischen Präsidentschaftskandidaten, hat einen Gesetzentwurf unterzeichnet, der Bewohner:innen von suchttherapeutischen Einrichtungen den Konsum von medizinischem Cannabis verbieten soll. Dies soll auch dann gelten, wenn das Cannabis von einem Arzt verschrieben wurde.


Kanada: Geringere Teilnahme am Medizinalcannabis-Programm seit 2018


Eine kanadische Studie setzt sich mit den Entwicklungen im Medizinalcannabis-Programm von 1999 bis 2021 auseinander. Seit der Legalisierung von Cannabis zum Freizeitkonsum im Jahr 2018 stieg zwar der tägliche Konsum von Cannabis bei Erwachsenen an, zugleich ging die Beteiligung am Medizinalcannabis-Programm aber zurück.


Australien: Starker Wachstum des Markts für Cannabis-Medikamente


Anders sieht es in Australien aus: Dort verzeichnet die medizinische Cannabisindustrie weiterhin ein starkes Wachstum bei Patient:innen und Verkäufen. Nach Darstellung von MjBizDaily gehen Expert:innen davon aus, dass der Markt in diesem Jahr den medizinischen Sektor Kanadas übertreffen könnte. In Australien sind Cannabis-Arzneimittel seit 2016 erlaubt.


Ukraine: Selenskyj für Legalisierung von medizinischem Cannabis


Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Abgeordneten seines Landes aufgefordert, medizinisches Cannabis zu legalisieren. Laut einem Bericht der Berliner Zeitung setzte er sich dafür in einer Rede am 28. Juni vor dem ukrainischen Parlament ein. Eine Zulassung von medizinischem Cannabis sei notwendig, um den Ukrainern zu helfen, die „Schmerzen, den Stress und das Trauma des Krieges“ zu überwinden. „Alle weltweit bewährten Verfahren und Lösungen, so komplex oder ungewöhnlich sie auch sein mögen, sollten in der Ukraine angewandt werden, damit alle ukrainischen Bürger nicht die Schmerzen, den Stress und das Trauma des Krieges ertragen müssen“, sagte Selenskyj.


4. Aktuelles aus der Forschung

Fibromyalgiesyndrom: Hinweise auf Wirksamkeit von Medizinalcannabis


Eine deutsche retrospektive Untersuchung mit 120 Patient:innen liefert nach Ansicht der Autor:innen Hinweise darauf, „dass THC als medikamentöse Alternative in Ergänzung zu den bisher in verschiedenen Leitlinien empfohlenen Substanzen für die Therapie des Fibromyalgiesyndroms in Betracht gezogen werden kann“.


Anhaltspunkte für Linderung von demenzbedingter Agitiertheit durch Cannabis


Eine israelische Studie beschäftigt sich mit dem Einsatz von medizinischem Cannabis zur Reduktion von Agitation, aggressivem Verhalten, Reizbarkeit und Schlafstörungen bei Patient:innen mit Demenz. Die Ergebnisse der placebokontrollierten Doppelblindstudie mit 60 Teilnehmer:innen deuten darauf hin, dass Cannabidiol(CBD)-reiche Cannabis-Vollspektrumextrakte unter anderem eine demenzbedingte Agitiertheit lindern können.


Kein formaler Nachweis für Wirksamkeit bei Tourette-Syndrom/Tic-Störungen


In einer randomisierten, placebokontrollierten Studie mit 97 Teilnehmer:innen konnte die Überlegenheit von Nabiximol bei der Behandlung von Patient:innen mit Tourette-Syndrom/chronischen Tic-Störungen formal nicht nachgewiesen werden. In Sekundäranalysen wurden allerdings erhebliche Trends zur Verbesserung von Tics, Depressionen und Lebensqualität beobachtet.


Keine Wirksamkeit von medizinischem Cannabis bei neuropathischen Schmerzen


Eine randomisierte, doppelblinde Studie aus Dänemark untersuchte den Verlauf der Behandlung mit Cannabidiol (CBD), Tetrahydrocannabinol (THC), einer CBD- und THC-Kombination (CBD/THC) und Placebo bei 145 Patient:innen mit neuropathischen Schmerzen. Keine der Behandlungen reduzierte die Schmerzen im Vergleich zum Placebo.


Steigerung der Lebensqualität bei chronischen Krankheiten


Ergebnisse einer Befragung von 2.833 Patienten, die im britischen Register für medizinisches Cannabis gemeldet waren, legen nahe, dass Cannabis-basierte Arzneimittel mit einer Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei chronischen Krankheiten in Verbindung gebracht werden können.


Verbesserung der Lebensqualität, aber häufige Nebenwirkungen


In einer retrospektiven Fallserienstudie aus Australien berichteten 3.148 Patient:innen, die medizinisches Cannabis konsumierten, über Verbesserungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, größtenteils sogar über einen längeren Zeitraum. Nebenwirkungen waren selten schwerwiegend, aber häufig, was aus Sicht der Autor:innen die Notwendigkeit unterstreicht, bei der Verschreibung von medizinischem Cannabis vorsichtig vorzugehen.


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