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Newsletter Medizinisches Cannabis
3. Ausgabe 2025

Liebe Leser:innen,

Cannabis als Medizin ist wieder Thema der Politik. Die Bundesregierung hat eine Änderung des Medizinalcannabisgesetzes beschlossen. Nun stehen parlamentarische Beratungen im Bundestag und ein Notifizierungsverfahren bei der Europäischen Kommission an.

Dazu und über zahlreiche weitere Entwicklungen zu (medizinischem) Cannabis informiert dieser Newsletter. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.

Herzlich,
Ihr Projektteam Cannabismedikation
Drogenreferat der Stadt Frankfurt am Main

Inhalt

1. Aktuelles aus Frankfurt am Main

  • Forschungsvorhaben zu Cannabis-Fachgeschäften abgelehnt
  • Neuer Flyer zu Hilfsangeboten
  • Netzwerktreffen im November

2. Aktuelles aus Deutschland

  • Bundeskabinett beschließt Änderungen bei Medizinalcannabis
  • Fachsymposium „Cannabinoide in der Medizin“
  • Erster Zwischenbericht EKOCAN

3. Aktuelles aus aller Welt

  • Australien: ähnliche Diskussion wie in Deutschland
  • USA: Trump äußert sich zu Cannabis

4. Aktuelles aus der Forschung

  • Zulassung von neuem Fertigarzneimittel noch offen
  • Einsatz bei Krebserkrankungen
  • CBD bei alkoholabhängigen jungen Menschen
  • CBD gegen Zähneknirschen

1. Aktuelles aus Frankfurt am Main

Forschungsvorhaben zu Cannabis-Fachgeschäften abgelehnt

Der Forschungsantrag zum kontrollierten Verkauf von Konsumcannabis in Frankfurt am Main und Hannover ist vorerst abgelehnt. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) begründet ihre Entscheidung unter anderem damit, dass der Anwendungsbereich der Forschungsklausel nach § 2 Absatz 4 Konsumcannabisgesetz (KCanG) nicht eröffnet sei. Gegen die Ablehnung wurde unmittelbar Widerspruch eingelegt.


Für die Studie in Frankfurt und Hannover sollen registrierte Freiwillige fünf Jahre lang in eigens errichteten Fachgeschäften legal Cannabisprodukte kaufen können. Die Studienteilnehmer:innen müssen in den beteiligten Städten wohnen, volljährig und gesund sein sowie an regelmäßigen Befragungen und Untersuchungen teilnehmen. Die wissenschaftliche Begleitung der Untersuchung liegt in den Händen von Prof. Kirsten Müller-Vahl (Medizinische Hochschule Hannover) und Prof. Heino Stöver (ehemals Frankfurt University of Applied Sciences). Für die operative Umsetzung ist die Berliner Sanity Group vorgesehen.


Frankfurts Sozial- und Gesundheitsdezernentin Elke Voitl (Bündnis 90/Die Grünen) verdeutlicht in einer Pressemitteilung die Relevanz des Forschungsvorhabens: „Wir wollen mit dieser Studie wissenschaftlich untersuchen, wie sich etwa das Gesundheitsverhalten von Konsument:innen verändert, wenn sie ihr Cannabis legal in einem Fachgeschäft kaufen können. Dazu gibt es in Deutschland keine belastbare Datenlage. Eine endgültige Ablehnung dieser Studie käme daher Dogmatikern und Ideologen zugute – nicht aber einer faktenbasierten und guten Gesundheitspolitik.“


Neuer Flyer zu Hilfsangeboten

Seit mehr als anderthalb Jahren dürfen Erwachsene in Deutschland Cannabis besitzen, konsumieren und anbauen - zumindest unter bestimmten Voraussetzungen. Das hat bei vielen Menschen Fragen und Unsicherheiten ausgelöst. Mit einem neuen Flyer will das Drogenreferat leichten Zugang zu seriösen Informationen und kompetenter Beratung in Frankfurt am Main bieten. In dem Flyer finden sich die vier Anlaufstellen der Jugend- und Drogenberatung und Möglichkeiten zur Online-Beratung im schnellen Überblick. Die aufgeführten Angebote sind kostenfrei, auf Wunsch anonym und richten sich an Jugendliche, Erwachsene, Angehörige und Fachkräfte. Der Flyer kann per E-Mail bestellt werden (drogenreferat@stadt-frankfurt.de). Außerdem steht er zum Download zur Verfügung.


Netzwerktreffen im November

Für Mittwoch, 19. November, lädt das Drogenreferat der Stadt Frankfurt am Main von 18:00 bis 19:00 Uhr zum nächsten Online-Treffen des regionalen Netzwerks Rhein-Main ein. Wie üblich geht es um den Austausch zu aktuellen Fragen rund um die Verschreibung von Cannabis-Arzneimitteln. Schwerpunktthemen werden der erste Zwischenbericht zur Evaluation des Konsumcannabisgesetzes (EKOCAN) und der Regierungsentwurf zur Änderung des Medizinalcannabisgesetzes sein. Medizinische und pharmazeutische Fachkräfte aus der Region sind herzlich zu der Sitzung eingeladen. Bitte schreiben Sie uns eine E-Mail, um die Zugangsdaten zur Sitzung zu erhalten: medizinisches.cannabis@stadt-frankfurt.de. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme.


2. Aktuelles aus Deutschland

Bundeskabinett beschließt Änderungen bei Medizinalcannabis

Das Bundeskabinett hat am 8. Oktober neue Regeln für die Verordnung von Medizinalcannabis beschlossen. Der Regierungsentwurf sieht vor allem zwei Änderungen vor: Erstens dürfen Cannabisblüten nur noch nach einem persönlichen Arztgespräch verordnet werden. Zweitens ist der Versand von Cannabisblüten zukünftig verboten. Bei Verstößen droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.


Anlass: umstrittene Telemedizin-Plattformen


Hintergrund für die Neuregelung ist die massive Zunahme von Verschreibungen über umstrittene Telemedizin-Plattformen. Dort genügt es oft, einen Online-Fragebogen auszufüllen, um an ein Rezept für Cannabisblüten zu gelangen. Von Versandapotheken erhält man das verschriebene Cannabis bis zur Haustür geliefert, ohne in einen persönlichen Kontakt zu Ärzt:innen und pharmazeutischen Fachkräften getreten zu sein.


Ein solches Modell spricht nicht nur Patient:innen an. „Vielmehr greifen Konsumenten zu Rauschzwecken in erheblichem Umfang auf Medizinal-Cannabis zurück“, schreibt Bundesgesundheitsministerin Nina Warken laut apotheke adhoc in einem Brief an die Bundestagsabgeordneten von Union und SPD. „Wir korrigieren … eine offensichtliche Fehlentwicklung, ohne die Versorgung von schwerkranken Patientinnen und Patienten einzuschränken.“


Versorgung für Patient:innen gefährdet?


Doch gerade beim letzten Punkt gibt es Widerspruch. Laut einer Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM) beteiligen sich nur wenige Ärzt:innen und Apotheker:innen in Deutschland an der Versorgung mit medizinischem Cannabis. Daher „bedarf es auch zukünftig der Option telemedizinischer Verschreibungen, um eine flächendeckende Versorgung – insbesondere in strukturschwächeren Regionen – zu gewährleisten“. Bei einem Versandverbot wäre „die Rezepteinlösung für Medizinalcannabisblüten insbesondere auf dem Lande und außerhalb von Ballungsräumen mit sehr langen Anfahrtswegen verbunden.“ Das bedeute für „eine Personengruppe, die häufig wegen der Erkrankung erheblich mobilitätseingeschränkt ist, eine unzumutbare Härte“.


Rechtliche und politische Diskussion


Hinzu kommen verfassungs- und europarechtliche Bedenken, auch aus den Reihen des Koalitionspartners SPD. Der Entwurf schränke die Berufsfreiheit ein, lautet ein Vorwurf der Bundestagsabgeordneten Carmen Wegge und Christos Pantazis. Außerdem verstoße er gegen europäisches Recht, weil er Anbieter:innen aus dem EU-Ausland benachteilige. „In seiner jetzigen Form ist der Entwurf für uns … nicht zustimmungsfähig“, schreiben sie in einem Instagram-Beitrag. „Wir brauchen eine verfassungskonforme und europarechtskonforme Lösung, die moderne Medizin ermöglicht, digitale Wege stärkt und Patient*innen nicht im Stich lässt.“


Die Regierung hat am 2. Oktober ein Notifizierungsverfahren bei der Europäischen Kommission eingeleitet. Sowohl durch die weiteren parlamentarischen Beratungen als auch durch Einwände der Europäischen Kommission und der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union könnte es noch zu Änderungen am Gesetz kommen.


Fachsymposium „Cannabinoide in der Medizin“

Der Bundesverband Pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e.V. und die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. präsentieren am 8. November in Düsseldorf das 4. Fachsymposium „Cannabinoide in der Medizin“. Die Teilnahme ist kostenfrei und sowohl in Präsenz als auch online möglich. Das diesjährige Schwerpunktthema ist die Geriatrie. Neben zahlreichen medizinischen Themen werden aber auch juristische Fragen wie Verordnungsvoraussetzungen und Regressrisiken behandelt. Hier findet man das vollständige Programm und die Möglichkeit zur Anmeldung.


Erster Zwischenbericht EKOCAN

Mit Spannung war der erste Zwischenbericht zur gesetzlich vorgesehenen Evaluation des Konsumcannabisgesetzes erwartet worden. Am 29. September stellten die beauftragten Forschungsinstitute in einer Pressekonferenz zentrale Ergebnisse vor. Das Verbundforschungsprojekt „Evaluation des Konsumcannabisgesetzes“ (EKOCAN) wird von drei Forschungsinstituten getragen: dem Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, dem Centre for Health and Society am Universitätsklinikum Düsseldorf und dem Institut für Kriminologie an der Universität Tübingen.


Grundsätzlich ist es nach Darstellung der Forscher:innen noch zu früh, um robuste Aussagen zu den Auswirkungen des KCanG zu treffen. Erste Einschätzungen treffen sie dennoch. Im Folgenden zitieren wir einige Kernaussagen aus dem Bericht und der dazugehörigen Pressemitteilung.


Konsum: „Die verfügbaren Daten sprechen … mehrheitlich bisher nicht dafür, dass sich das KCanG kurzfristig auf die Anzahl der jugendlichen oder erwachsenen Konsumierenden ausgewirkt hat.“


Gesundheit: „Das KCanG scheint sich nicht kurzfristig auf chronische Konsumprobleme ausgewirkt zu haben. Allerdings bestehen Hinweise auf eine leichte Zunahme akuter Konsumprobleme in regional begrenzten Datenquellen.“


Jugendliche: „Es liegen Hinweise vor, dass weniger Jugendliche nach der Teillegalisierung Suchtberatungen in Anspruch genommen haben.“


Kriminalität: „Im Jahr 2024 hat die Polizei im Bereich der Cannabisdelikte über 100.000 Fälle weniger verzeichnet als im Vorjahr.“


Illegaler Markt: „Es zeichnet sich … ab, dass Anbauvereinigungen für die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verdrängung des Schwarzmarktes bislang keinen relevanten Beitrag leisten. Ohne Korrekturen ist nicht zu erwarten, dass sich an dieser Entwicklung mittelfristig etwas ändert.“


Straßenverkehr: „Im Bereich Verkehrssicherheit zeigen sich nach der Teillegalisierung bisher keine maßgeblichen Veränderungen des selbstberichteten Führens eines Fahrzeugs unter Cannabiseinfluss und in der Zahl der im Straßenverkehr getöteten oder verletzten Menschen. Die Zahl der Unfälle unter dem Einfluss anderer berauschender Mittel, darunter von Cannabis, stieg vor und nach Inkrafttreten des KCanG an, wobei der genaue Einfluss der Teillegalisierung nur durch weitere statistische Auswertungen ermittelt werden kann.“


Gesamtbetrachtung: „Die vorliegenden Ergebnisse lassen bis jetzt keinen dringenden Handlungsbedarf in Bezug auf die untersuchten Bereiche erkennen.“


CDU: Ergebnisse sind Anlass zur Sorge


Aus Sicht der Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zeigt die Evaluation „bedenkliche Tendenzen“. Als besorgniserregend bezeichnet sie gegenüber der Rheinischen Post unter anderem den Anstieg bei den Gesundheitsstörungen.


Ihr Parteikollege und Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Hendrik Streeck, beklagt in derselben Zeitung Fehlentwicklungen beim Jugendschutz. „Jugendliche geben an, heute leicht an Cannabis zu kommen. Zugleich ist die Zahl der Frühinterventionen zurückgegangen. Das heißt: Wenn Jugendliche konsumieren …, bekommen sie seltener Hilfe“.


Auch der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) äußert sich in einer Pressemitteilung kritisch zum neuen Gesetz. „Die bisherigen Ergebnisse der Evaluation bestätigten leider meine skeptische Einschätzung zur Teillegalisierung.“ Er problematisiert unter anderem den Anstieg von Unfällen durch Cannabis und andere berauschende Mittel.


SPD und Grüne: (Teil-)Legalisierung war richtiger Schritt


Ganz anders sieht es der Koalitionspartner SPD. Die Bundestagsfraktion veröffentlichte ein Presse-Statement ihres Vorstandsmitglieds Carmen Wegge: „Der … Zwischenbericht bestätigt, dass die Legalisierung von Cannabis der richtige und längst überfällige Schritt war. Die unabhängige Evaluation zeigt keinen relevanten Anstieg des Cannabiskonsums bei Erwachsenen und sogar einen Rückgang bei Minderjährigen, keine auffälligen negativen Effekte auf die Gesundheit Erwachsener und deutlich weniger Strafverfahren. … Gerade der Rückgang der Meldungen an Jugendämter und die stabile Verkehrssicherheitslage unterstreichen, dass wir mit einer regulierten, kontrollierten Abgabe deutlich mehr für den Kinder- und Jugendschutz tun als mit Verboten.“


Die Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) kommt in einem Facebook-Beitrag zu einem ähnlichen Schluss. Sie betont allerdings, dass die Anbauvereinigungen nicht ausreichen, um den Schwarzmarkt einzudämmen, und fordert: „Cannabisfachgeschäfte für Erwachsene sind der sinnvoll nächste Schritt!“


Weitere Evaluationstermine


Bis zum 1. April 2026 soll der nächste Zwischenbericht vorliegen. Dieser wird auch die Auswirkungen des Gesetzes auf die cannabisbezogene organisierte Kriminalität behandeln. Zwei Jahre später, bis zum 1. April 2028, folgt dann ein umfassender Abschlussbericht über die Ergebnisse der Evaluation.


3. Aktuelles aus aller Welt

Australien: ähnliche Diskussion wie in Deutschland

Richtet man den Blick auf die andere Seite der Erdkugel, stößt man auf eine vertraute Debatte. Die „Australian Health Practitioner Regulation Agency“ (AHPRA, auf Deutsch etwa: australische Regulierungsagentur für Gesundheitsdienstleistungen) hat im Juli einen Leitfaden zur Verschreibung von medizinischem Cannabis veröffentlicht. Anlass sind Fälle von schlechter Verschreibungspraxis. Die AHPRA kritisiert unter anderem Geschäftsmodelle, die aggressive und manchmal irreführende Werbung einsetzen, um besonders vulnerable Menschen anzusprechen. Einige der kritisierten Anbieter:innen verschreiben nur ein einziges Medikament und verwenden Online-Fragebögen, die Patienten:innen dazu anleiten, „das Richtige“ zu sagen, um das passende Rezept zu erhalten. Dem stellt die AHPRA in einer begleitenden Pressemitteilung folgende Grundsätze gegenüber: „Die sichere Verschreibung von medizinischem Cannabis umfasst die gründliche Diagnose der Patienten, die Ausarbeitung und Umsetzung eines Behandlungsplans, … die Führung von Krankenakten, die Empfehlung von Behandlungen nur bei nachgewiesenem therapeutischem Bedarf, die Gewährleistung, dass medizinisches Cannabis niemals eine Erstlinientherapie darstellt, und die Entwicklung einer Ausstiegsstrategie von Anfang an.“


USA: Trump äußert sich zu Cannabis

US-Präsident Donald Trump hat bei einem Spendendinner in Aussicht gestellt, die Regelungen für Cannabis auf Bundesebene zu lockern. Wie der Spiegel im August berichtete, ist für Trump die Herabstufung auf eine „Schedule III Drug“ denkbar. Derzeit ist Cannabis eine sogenannte „Schedule I Drug“. Eine Neuklassifikation hätte weitreichende Auswirkungen auf die Cannabis-Industrie: Bislang kann sie bei vielen US-Banken nicht mal Geschäftskonten eröffnen. Für weiteres Aufsehen sorgte ein Beitrag des Präsidenten auf seinem Social-Media-Kanal Truth Social vom 29. September. Darin teilt er ein Video, das CBD als „Game-Changer“ feiert. In der Folge überschlugen sich die Aktienkurse in der Cannabisbranche. NTV zufolge stiegen die Aktien von Tilray kurzfristig um rund 40 Prozent, der Wert der Firma cbdMD schoss sogar um fast 200 Prozent in die Höhe. Ob den Ankündigungen und Äußerungen des US-Präsidenten in Sachen Cannabis konkrete politische Maßnahmen folgen, bleibt abzuwarten.


4. Aktuelles aus der Forschung

Zulassung von neuem Fertigarzneimittel noch offen

Für Juli war die Zulassung eines neuen Fertigarzneimittels auf Cannabisbasis in Deutschland erwartet worden, wie wir im ersten Newsletter des Jahres unter Berufung auf einen Artikel der Pharmazeutischen Zeitung berichteten. Der Wirkstoff VER-01 soll gegen chronische Schmerzen im unteren Rückenbereich helfen. Ein hochrelevantes Thema: Mehr als eine halbe Milliarden Personen leiden weltweit unter Schmerzen im unteren Rückenbereich, wie Daten von Ferreira et al. (2021) nahelegen.


Unterschiedliche Meinungen zu Phase-3-Studie


Zugelassen ist das neue Mittel bis heute nicht. Dafür liegen nun Veröffentlichungen zu Phase-3-Studien vor. Karst et al. (2025) präsentieren in der Fachzeitschrift „Nature Medicine“ die Ergebnisse einer kontrollierten, randomisierten und doppelt verblindeten Studie mit 820 Patient:innen. Nach einer zwölfwöchigen Behandlungsphase zeigte sich bei Personen, die mit VER-01 behandelt wurden, eine signifikant stärkere Schmerzreduktion als in der Kontrollgruppe. Die Autor:innen folgern daraus: „VER-01 zeigt Potenzial als neue, sichere und wirksame Behandlung für chronische Schmerzen im unteren Rückenbereich.“


Ulrike Bingel von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen ist von den Ergebnissen weniger überzeugt. Ihr zufolge ist die Wirkung „entsprechend internationaler Konsensusgruppen nicht als klinisch relevant“ zu betrachten, wie sie im Österreichischen Rundfunk zitiert wird. Der Unterschied zwischen Medikamenten- und Placebogruppe beträgt nur 0,6 Punkte auf einer Skala von null bis zehn. Weiterhin problematisiert Bingel die Nebenwirkungen des Präparats, wie in der Welt zu lesen ist. „Mit 17,3 Prozent hat fast jeder Fünfte die Therapie mit der Prüfsubstanz aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen, im Vergleich zu nur 3,5 Prozent in der Placebogruppe.“


Vergleich zur Opioid-Behandlung


Nun führen auch bewährte Medikamente bei Schmerzen im unteren Rückenbereich oft zu unerwünschten Folgen. Nach Darstellung von Karst et al. (2025) werden vor allem nichtsteroidale Antirheumatika (dazu gehören zum Beispiel Ibuprofen und Aspirin) und Opioide eingesetzt. Beide Medikamentengruppen würden gerade bei einer Langzeitbehandlung mit teilweise schwerwiegenden Nebenwirkungen einhergehen.


In einer weiteren, allerdings nicht verblindeten Phase-3-Studie vergleichen Meissner et al. (2025) bei 384 Personen mit chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich eine Behandlung über 24 Wochen entweder mit VER-01 oder mit Opioiden. Wenig überraschend trat bei der Behandlung mit VER-01 deutlich seltener Verstopfung als Nebenwirkung auf. Bedeutsamer erscheint ein anderes Ergebnis: VER-01 zeigte sowohl bei der Schmerzreduktion als auch bei der Verbesserung der Schlafqualität eine stärkere Wirkung als die eingesetzten Opioide, Signifikanz wurde allerdings zum Behandlungsende nicht erreicht.


Die Herstellerfirma erwartet laut Welt die Zulassung des Präparats nun in der ersten Jahreshälfte 2026.


Einsatz bei Krebserkrankungen

Zwei randomisierte, kontrollierte und verblindete Studien beschäftigen sich mit der Wirksamkeit von Cannabis-Arzneimitteln im Zusammenhang mit Krebserkrankungen.


Die sehr kleine Studie (N=12) von Haney et al. (2025) fragt nach der Wirkung einer täglichen oralen Einnahme von 300 mg CBD und 15 mg THC über acht Wochen bei Patientinnen, die an Schmerzen wegen einer Taxan-Behandlung bei Brustkrebs leiden. Die Ergebnisse sprechen nicht für die Cannabis-Therapie: Bei der Schmerzbeeinträchtigung und beim Schlaf zeigte die Placebo-Gruppe eine signifikant günstigere Entwicklung.


Mit dem Zusatznutzen von Medizinalcannabis in der Palliativbehandlung bei Patient:innen mit fortgeschrittenem Krebs setzen sich Hardy et al. (2025) auseinander. In der Studie erhielten 144 Personen über zwei Wochen entweder eine Lösung mit THC und CBD im Verhältnis 1:1 oder ein Placebo. Hinsichtlich der Gesamtsymptombelastung kam es zu keinem signifikanten Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Patient:innen im Medizinalcannabis-Arm profitierten zwar von einer signifikanten, wenn auch geringfügigen Schmerzreduzierung. Zugleich litten sie aber häufiger an Nebenwirkungen.


CBD bei alkoholabhängigen jungen Menschen

In den letzten beiden Newslettern haben wir bereits über ausgewählte neue Studien zur Wirkung von CBD bei Alkoholabhängigkeit berichtet. Die Ergebnisse waren uneindeutig. Die Studie von Kirkland et al. (2025) setzt sich nun mit der Frage auseinander, wie sich CBD speziell bei jungen Menschen (17 bis 22 Jahre) mit Alkoholabhängigkeit auswirkt. Die randomisierte, doppelblinde und kontrollierte Studie (N=36) konnte keine signifikante Wirkung von CBD auf das Craving, den Alkoholkonsum und weitere untersuchte Aspekte feststellen.


CBD gegen Zähneknirschen

An der randomisierten, doppelt blinden und kontrollierten Studie von Walczyńska-Dragon et al. (2025) nahmen 60 Personen mit Bruxismus teil. Sie erhielten 30 Tage lang zur äußerlichen Anwendung ein Gel entweder mit 10 % CBD, mit 5 % CBD oder mit einem Placebo. Beide CBD-Behandlungsgruppen zeigten im Vergleich zur Kontrollgruppe statistisch signifikante Verbesserungen bei der Schlafqualität und bei migränebedingten Beeinträchtigungen. Zwischen den Gruppen mit 5 % und 10 % CBD wurden keine signifikanten Unterschiede festgestellt, was nach Ansicht der Autor:innen auf eine vergleichbare Wirksamkeit hindeutet.


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