Fertigarzneimittel gegen Rückenschmerzen vor Zulassung
Laut einem Bericht der Pharmazeutischen Zeitung wird es voraussichtlich bald ein neues Fertigarzneimittel auf Cannabis-Basis in Deutschland geben. Bei „VER-01“ handelt es sich um einen THC-dominanten Vollspektrumextrakt zur oralen Einnahme. Im Juli dieses Jahres soll er für chronische Rückenschmerzen zugelassen werden und unter dem Präparatennamen Exilby® auf den Markt kommen. Ergebnisse der Phase-III-Studie mit 820 Patient:innen wurden im März auf einer Pressekonferenz bei den Deutschen Schmerz- und Palliativtagen in Frankfurt am Main vorgestellt. Demzufolge zeigte das Medikament nach fünfzehn Wochen eine klinisch relevante und statistisch signifikante Schmerzreduktion gegenüber der Placebo-Behandlung. Studien zu weiteren Indikationen sind bereits geplant.
Medicinal Cannabis Congress in Berlin
Am 12. und 13. Juni findet in Berlin der 6. Medicinal Cannabis Congress der Deutschen Medizinal-Cannabis Gesellschaft e.V. (DMCG) statt. Die Veranstaltung kostet für Fachbesucher ohne Ermäßigungsanspruch 250,- Euro und wurde mit zwölf CME-Fortbildungspunkten anerkannt. Das Programm und Hinweise zur Anmeldung finden Sie hier.
Umstrittene telemedizinische Angebote
Steigende Importe
Der Import von Cannabisblüten ist stark angestiegen: Im letzten Quartal 2024 wurden laut Angaben der Bundesagentur für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) fast viermal so viel Cannabisblüten zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken nach Deutschland eingeführt als noch im ersten Quartal (31,7 Tonnen versus 8,1 Tonnen). Im gesamten Kalenderjahr 2024 waren es rund 72 Tonnen.
Sinkende Preise
Im Jahr 2024 sind die Preise für medizinisches Cannabis stark gefallen. Im Oktober und November lagen die günstigsten Preise für ein Gramm Cannabis-Blüten bei 3,99 Euro, wie ApothekeAdhoc unter Verweis auf den Cannabis-Barometer der Plattform Bloomwell berichtet. Der Durchschnittspreis habe im November 8,35 Euro pro Gramm betragen – im Januar 2024 lag er noch bei 9,27 Euro. Die Versorgung für Patient:innen sei in Deutschland so günstig wie in keinem anderen Land weltweit.
Kritik an Telemedizin-Branche
Vielfach werden diese Entwicklungen mit einer zunehmenden Versorgung von Freizeitkonsument:innen über Telemedizinangebote in Verbindung gebracht. „Durch den Missbrauch medizinischer Verordnungen und illegale Praktiken bei der telemedizinischen Verordnung erhalten inzwischen Konsumenten Zugang zu medizinischem Cannabis, den sie lediglich zu Genusszwecken nutzen“, schreibt beispielsweise die Fachgruppe „Pharmazeutische Biologie“ der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft e.V. Für ein Cannabis-Rezept reiche oft das Ausfüllen eines Online-Fragebogens, ohne dass ein digitales oder gar persönliches Arztgespräch stattfindet, wie die Ärztekammer Nordrhein laut Pharmazeutischer Zeitung beklagt. Ein berufsrechtliches Vorgehen dagegen laufe ins Leere, wenn die Online-Anbieter:innern aus dem Ausland agieren.
Gegenargumente der Branche
Einige Vertreter:innen der Cannabisbranche verteidigen in einem offenen Brief den Einsatz von Fragebögen. „Hierzulande findet eine Romantisierung des persönlichen Arztgesprächs statt, die in den meisten Fällen die Wirklichkeit nicht widerspiegelt.“ Lange Wartezeiten in Arztpraxen würden regelmäßig Gesprächen von wenigen Minuten gegenüberstehen. Patient:innen als „Hobby-Kiffer“ zu bezeichnen und Ärzt:innen das Verletzen ihrer Sorgfaltspflichten zu unterstellen, wären unbelegte Behauptungen. Deutlich werde daran, „auf welche Widerstände digitale Innovation im deutschen Gesundheitswesen trifft und wie sehr sich die Profiteure der ineffektiven analogen Systeme gegen digitalen Fortschritt sträuben“.
Erste Rechtsprechung
Gerichte scheinen die Kritik an den Geschäftsmodellen mancher Telemedizin-Anbieter:innen allerdings zu teilen. So hält das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Werbung für die Möglichkeit eines digitalen Ersttermins nicht für zulässig, wie der Pressemitteilung zum Urteil vom 6. März zu entnehmen ist. „Die … Beklagte habe nicht aufgezeigt, dass ein persönlicher ärztlicher Erstkontakt nach heutigen fachlichen Standards nicht … geboten sei.“ Auch mit dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11. März wird einem Unternehmen gerichtlich untersagt, sein Online-Rezeptportal für Medizinalcannabis in der bisherigen Form weiterzubetreiben, wie die Deutsche Apotheker Zeitung berichtet. Die Werbung der Plattform stelle sowohl einen Verstoß gegen das Verbot der Werbung für telemedizinische Behandlungen gemäß § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) als auch gegen das Verbot der Publikumswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel nach § 10 Absatz 1 HWG dar. Bei der Behandlung mit Cannabis sei generell ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich.
Das Konsumcannabisgesetz – Umsetzung und Debatte
Löschung von Einträgen im Bundeszentralregister
Seit dem 1. Januar können Einträge im Bundeszentralregister wegen einer heute nicht mehr strafbaren Tat im Zusammenhang mit Cannabis gelöscht werden – allerdings nur auf Antrag (§§ 40 ff. KCanG). Wie stark diese Regelung zu neuen Belastungen für die Justiz führt, lässt sich noch nicht beurteilen.
Rückgang der Rauschgiftkriminalität
Auf eine Entlastung der Justiz deutet hingegen die Polizeiliche Kriminalstatistik 2024 hin: Demnach nahm die Zahl der sogenannten Rauschgiftdelikte im Vergleich zum Vorjahr bundesweit um 34,2% ab. Im Zusammenhang mit Cannabis wurde ein Rückgang von 114.520 Straftaten registriert.
Illegaler Markt weiter lukrativ
Von Vertreter:innen der Polizei wird allerdings häufig keine wesentliche Eindämmung des illegalen Marktes gesehen. So stellt Andreas Röhrig, der Präsident des Landeskriminalamts Hessen, bei der Präsentation der Landeskriminalstatistik fest, „dass trotz der Legalisierung ein großer Abnehmerkreis im Bereich des Schwarzmarkts vorhanden sein muss und sich das illegale Geschäft weiterhin als lukrativ erweist“. Ein wichtiger Grund dafür kann in fehlenden legalen Bezugswegen gesehen werden. In diese Richtung geht auch folgende Aussage von Röhrig: „Da der Bedarf von Cannabis weder durch den Eigenanbau noch durch die vier in Hessen genehmigten Anbauvereinigungen gedeckt werden kann, erfolgt die Beschaffung vorwiegend auf dem Schwarzmarkt.“
Wenige Genehmigungen von Anbauvereinigungen
Nicht nur in Hessen können bislang erst wenige Anbauvereinigungen ihre Arbeit aufnehmen. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten der Linken waren bis Dezember 2024 bundesweit erst 83 Anbauvereinigungen genehmigt. Immerhin 349 Anträge von Anbauvereinigungen warteten im Dezember 2024 auf eine Entscheidung der zuständigen Behörde.
Ungewisse politische Zukunft
Nach dem Ausgang der Bundestagswahl fragen sich viele Anbauvereinigungen, ob sie ihre Arbeit dauerhaft fortsetzen können. Nach derzeitigem Stand ist eine Koalition aus CDU/CSU und SPD wahrscheinlich. Die Union hatte sich im Wahlkampf für die Abschaffung des Cannabisgesetzes eingesetzt. Laut einem Spiegel-Bericht vom 2. April wurde zum Thema Cannabis in den laufenden Koalitionsverhandlungen noch keine Einigung erzielt.
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