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Stellungnahmeverfahren des G-BA zum Genehmigungsvorbehalt
Am 9. November 2023 veröffentlichte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ein Stellungnahmeverfahren zur Neuregelung des Genehmigungsvorbehalts bei einzelnen (Fach-)Arzt-Gruppen. Nötig geworden war dies durch das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG). Dort heißt es: „Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt […] das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt […] entfällt.“
Im Änderungsentwurf des G-BA finden sich zwei unterschiedliche Vorschläge. Einer besagt, dass Ärztinnen und Ärzte je nach Indikation einer Facharztgruppe angehören müssen und eine Zusatzweiterbildung benötigen, um ohne Genehmigung der Krankenkasse Cannabis verordnen zu dürfen. Der andere Vorschlag sieht lediglich eine Zusatzweiterbildung vor.
Weiterhin gelten aber für alle Ärztinnen und Ärzte die bisherigen Verordnungsvoraussetzungen. So muss zum Beispiel eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen und keine zumutbare Standardtherapie zur Verfügung stehen. Aus dem Grund spricht sich eine Teilposition in der G-BA-Begründung für die Möglichkeit einer prophylaktischen Beibehaltung des Kostenübernahmeantrags auch für privilegierte Ärztinnen und Ärzte aus: „Ob eine Verordnung voraussetzungskonform und damit rechtmäßig ist, kann von der Verordnerin/dem Verordner und der Krankenkasse unterschiedlich bewertet werden. Um dem Rechtsrisiko eines Regresses bei unklaren Verordnungen vorzubeugen, kann auch die qualifizierte Ärztin/der qualifizierte Arzt eine Genehmigung der Krankenkasse nach Absatz 1 einholen.“
Im Ergebnis droht eine Regelung, die dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers zuwiderläuft. Eigentlich war eine Beschleunigung der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit medizinischem Cannabis beabsichtigt (Vgl. BT- Drucksache 20/7397). Es ist zu bezweifeln, ob dies ohne Berücksichtigung der Regress-Problematik gelingt. So birgt die diskutierte Regelung neue Risiken für die privilegierten Ärztinnen und Ärzte: Die Krankenkasse prüft nicht mehr vor der Verordnung, aber möglicherweise danach. Bei einer abweichenden Einschätzung wird somit nicht nur ein Antrag abgelehnt, sondern kann bereits verausgabtes Geld von den Ärztinnen und Ärzten zurückgefordert werden.
Ein Zusammenschluss aus acht Verbänden von Ärzteschaft, Apotheken, Pharma-Unternehmen und Patient:innen äußert sich kritisch zu dem Änderungsentwurf des G-BA. In einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 03.01.2024 setzen sie sich für eine Erweiterung des vorgeschlagenen Facharztkreises ein. Demnach sollten möglichst alle Fachgebiete, in denen sich Medizinalcannabis bereits bewährt hat, berücksichtigt werden. Und gerade für Hausärzt:innen benötige es ebenfalls die Möglichkeit, Cannabis ohne Kostengenehmigung der Krankenkasse zu verordnen. Eine optimale Versorgungslage für Patientinnen und Patienten könne nur gewährleistet werden, „wenn der Genehmigungsvorbehalt vollständig abgeschafft wird [...]. Gleichzeitig müssen verschreibende Ärztinnen und Ärzte vor Regress geschützt werden.“
Das schriftliche Stellungnahmeverfahren endete am 11. Dezember vergangenen Jahres. Nach Informationen des Online-Journals krautinvest.de sind siebzehn Stellungnahmen eingegangen. Im Februar oder März solle nun ein Termin für eine mündliche Anhörung folgen.
Umfrage bei Hausarztpraxen zum Einsatz von Cannabis-Arzneimitteln
In einer nicht-repräsentativen Umfrage testete das Unternehmen Cantourage SE die Bereitschaft von Hausärztinnen und Hausärzten, medizinisches Cannabis einzusetzen. In den zwanzig größten deutschen Städten wurden jeweils zwanzig Hausarztpraxen mit einer identischen E-Mail einer erfundenen Patientin angeschrieben. Berichtet wird darin von langjährigen Schlafproblemen, die bereits mit verschiedenen Medikamenten behandelt worden seien. Zum Schluss bittet „Lisa Wagner“ um eine Beratung zur Cannabis-Therapie.
Weniger als die Hälfte der angeschriebenen Arztpraxen (185 von 400) antworteten auf die Anfrage. 27 Arztpraxen boten einen Termin an oder lehnten zumindest nicht sofort ab. In den übrigen 158 Fällen wird mitgeteilt, dass die Praxen keine Behandlung mit Cannabis anbieten. Somit benötigt es rechnerisch ungefähr fünfzehn Anfragen bei Arztpraxen, um eine Beratung zu der Thematik zu erhalten.
In Frankfurt am Main antworteten elf der zwanzig angeschriebenen Praxen. Zehn lehnten den Beratungswunsch zu medizinischem Cannabis ab, nur eine Praxis zeigte sich grundsätzlich offen für eine Cannabis-Behandlung.
Diese Daten dürfen aufgrund der fehlenden Repräsentativität nicht überinterpretiert werden. Dennoch geben sie Hinweise auf fortbestehende Vorbehalte in weiten Teilen der Hausärzteschaft gegenüber Cannabisarzneimitteln.
Kurzinformation und Online-Fortbildung der KBV mit drei CME-Punkten
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat eine Ausgabe der Reihe WirkstoffAktuell dem Thema Medizinisches Cannabis gewidmet. Auf elf Seiten finden sich kompakte Informationen zu den rechtlichen Grundlagen der Verordnungen, zu der Wirkungsweise, den Nebenwirkungen und den Kosten von Cannabisarzneimitteln. Ärztinnen und Ärzte können nach der Lektüre online einen Multiple-Choice-Test mit zehn Items bearbeiten und erhalten dafür 3 CME-Punkte.
Cannabisgesetz (I): Neue Regeln sollen schrittweise ab April 2024 in Kraft treten
Vorigen November einigten sich die Ampel-Parteien auf letzte Änderungen beim Cannabisgesetz. Diese lassen sich detailliert in einem Formulierungsvorschlag des Bundesgesundheitsministeriums nachlesen. Besonders zu erwähnen sind:
Ein Konsumverbot gilt demnach nur noch „in Sichtweite“ von Orten, an denen sich vorwiegend Kinder und Jugendliche aufhalten. Es wurde klargestellt, dass bei einem Abstand von mehr als 100 Metern keine Sichtweite vorliegt.
Die maximal erlaubte Besitzmenge am eigenen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt wurde auf 50 Gramm pro Erwachsenen erhöht. Im öffentlichen Raum bleibt es bei 25 Gramm.
Zugleich wurde eine geringfügige Überschreitung der maximal erlaubten Besitzmenge zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft (bis 30 Gramm im öffentlichen Raum, bis 60 Gramm zuhause).
In Anbauvereinigungen müssen Mitarbeitende, die unmittelbar mit dem Eigenanbau und der Weitergabe von Cannabis betraut sind, Mitglieder sein und dürfen nur geringfügig beschäftigt werden. Andere Aufgaben wie Buchhaltung, Dokumentation, Reinigung etc. können auch von sonstigen entgeltlich Beschäftigten wahrgenommen werden.
Das Gesetz soll zeitlich gestuft in Kraft treten: die Regelungen über privaten Eigenanbau und zulässige Besitzmengen zum 1. April, die Vorschriften zu den Anbauvereinigungen zum 1. Juli 2024.
Entgegen der ursprünglichen Pläne wurde das Gesetz nicht schon im vergangenen Jahr verabschiedet. Grund dafür waren Vorbehalte in der SPD. So kritisierte der kriminalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Sebastian Fiedler noch am 18. Januar 2024 in der Rheinischen Post: „Ich hoffe nach wie vor, dass […] sich die Erkenntnis durchsetzt, dass dieses Gesetz so auf keinen Fall kommen darf […] Ich kenne eine Vielzahl von Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion, die das ebenso sehen.“
Am 1. Februar 2024 erklärten jedoch die drei Vizefraktionsführer:innen der Regierungsfraktionen im Bundestag, Konstantin Kuhle (FDP), Maria Klein-Schmeink (Grüne) und Dagmar Schmidt (SPD), den Konflikt für beendet, wie in der Zeit zu lesen war. Das Gesetz könne wie geplant zum 1. April kommen. Mit einer Verabschiedung im Bundestag wird nun in der achten Kalenderwoche gerechnet.
Kaum eine Rolle in der öffentlichen Diskussion spielt zurzeit die „zweite Säule“ der Cannabis-Reformen. Dabei geht es um den Plan der Bundesregierung, Modellregionen zur Erprobung einer kommerziellen Lieferkette für Genusscannabis einzuführen. Im Eckpunktepapier vom April 2023 wurde dafür ein erster Gesetzentwurf für „nach der Sommerpause“ angekündigt.
Der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert, erinnerte unlängst daran. In einem Interview, veröffentlicht im Merkur am 25. Januar 2024, antwortete er auf die Frage, was denn nach Einführung des Cannabisgesetzes mit den Personen sei, die spontan Cannabis konsumieren wollen, aber keine Mitglieder in Anbauvereinigungen sind: „Deshalb müssen wir die zweite Säule in Angriff nehmen, und damit den Gesundheitsschutz auch für die Gelegenheitskonsumierenden. Damit niemand mehr, der unbedingt konsumieren will und sich davon auch nicht abbringen lässt, beim Dealer an der Straßenecke gestrecktes Gras kaufen muss.“
Cannabisgesetz (II): Ablösung des Vergabeverfahrens geplant
Unter den im November zwischen den Ampel-Koalitionären vereinbarten Änderungen im Cannabisgesetz findet sich auch eine wichtige Neuerung für den Bereich Cannabis als Medizin. Bislang ist der Anbau von Medizinalcannabis durch ein Vergabeverfahren des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geregelt. Pro Jahr werden Aufträge zum Anbau von 2,6 Tonnen Medizinalcannabis vergeben. Dies reicht aber für den Bedarf in Deutschland nicht aus. Deshalb soll die Berechtigung für den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken zukünftig über ein Erlaubnisverfahren erfolgen. Damit wird auch erhofft, den Anbau in Deutschland wettbewerbsfähiger zu gestalten.
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